Paris verzeichnet die meisten Buchungen von Unterkünften über Internetportale. Vielen Bürgern wird das zu viel. Nach der Stadtbehörde dürfte das lukrative Couchsurfing immer mehr Bewohner aus der Stadt vertreiben und die akute Wohnungsnot verstärken.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Dominique Feutry ist eine echte Pariserin: Die gut 60-jährige Dame, die über dem Platz Baudoyer am Rande des Marais-Viertels wohnt, liebt ihre Stadt und beschwert sich gerne über sie. Neuerdings vor allem über respektlose Kunden von Airbnb, der wichtigsten Internetplattform für das Vermieten von Privatwohnungen. „Die meisten Mieter bleiben nur eine oder zwei Nächte, und sie denken nicht daran, ihre Wohnung oder ihr Viertel zu respektieren“, klagt die Präsidentin des Quartiervereins „Leben im Marais“.

 

Viele Vereinsmitglieder, aber auch andere Quartierbewohner haben genug von der „Invasion“ – wie es die Zeitung „Le Figaro“ nennt – durch die Internetmieter. Mit ihren Rollkoffern dröhnten diese zu jeder Tages- und Nachtzeit über das historische Kopfsteinpflaster der engen Gassen, lautet eine viel gehörte Kritik; sie feierten noch lauter und vergäßen, die Gebäudetüren zu schließen oder den Abfallsack im richtigen Eimer zu deponieren.

Airbnb mit gigantischen Zuwachsraten

Dass es sich um eine Invasion handelt, bestätigt indirekt auch der Frankreich-Chef von Airbnb, Nicolas Ferrary. Stolz berichtet er über Zuwachsraten, von denen die Hotelbranche nur träumen kann: Vor fünf Jahren habe seine Internetseite in der Pariser Agglomeration gerade mal 50 Wohnungen angeboten, sagt er – heute seien es 40 000. Das sind mehr als in New York, mehr als in jeder anderen Weltstadt. Und bereits mehr als die Hälfte der 76 000 Hotelzimmer, die Paris aufweist. Von den 2,5 Millionen Airbnb-Kunden, die seit Jahresbeginn in ganz Frankreich logiert haben, dürften knapp ein Drittel auf die „Ile-de-France“ (Großraum Paris) entfallen. Dabei ist Airbnb längst nicht mehr der einzige Anbieter seiner Art. Webseiten wie Housetrip, Wimdu oder Paris Holidaydays verzeichnen an der Seine ebenfalls hohe Zuwachsraten. Die Angebote beginnen meist bei 100 Euro pro Nacht und übersteigen in den gesuchtesten Vierteln Marais, Saint-Germain oder Montmartre schnell einmal 1000 Euro pro Wohnung. Für die Stadt der Liebe hat das umwälzende Folgen. Quartiervereine wie „Vivre le Marais“ stellen fest, dass in einigen Gebäuden bis zu zehn Wohnungen privat per Internet vermietet werden. Das führt dazu, dass sich Nachbarn nicht mehr kennen, und vertreibt Handwerker oder Metzgereien noch stärker aus Trendvierteln, wo sich Modeboutiquen und Sandwich-Läden abwechseln. Und das Phänomen ist überall in der Stadt zu beobachten, während sich die Hotels auf Viertel wie Opéra oder Quartier Latin konzentrieren. Alteingesessene Hauptstädter schimpfen, mit Airbnb werde sich Paris bald einmal in ein museales Disneyland à la Venedig verwandeln.

Juristische Grauzone

Nach Ansicht von Ian Brossat von der Stadtbehörde dürfte das lukrative Couchsurfing immer mehr Bewohner aus der Stadt vertreiben und die bereits akute Wohnungsnot verstärken. Deshalb will die linke Stadtregierung so weit wie möglich gegensteuern. Seit Jahresbeginn müssen in Paris auch private Kurzvermietungen deklariert werden. Im Mai ließ die Stadt öffentlichkeitswirksam 80 Wohngebäude im Marais inspizieren. Einzelne Eigentümer erhielten eine saftige Buße – vor allem, wenn sie gleich mehrere Wohnungen auf Airbnb oder anderswo ausgeschrieben hatten. Das kommt immer häufiger vor, da das Kurzvermieten die Pariser Immobilien zu einem hochrentablen Investment macht.

Für systematische Kontrollen hat die Stadt aber weder die Mittel noch die Rechtsgrundlage. Die Grenze zwischen gelegentlicher Beherbergung von „Freunden“ und bewilligungspflichtiger Dauervermietung bleibt juristisch unscharf. Quartiervereine und Nachbarn zögern nicht mehr, offensichtlich illegale Vermietungen bei den Behörden zu denunzieren. Unter Druck geraten, zeigen sich die einschlägigen Webseiten immerhin kooperativ. Airbnb hat sich zum Ende der Sommerzeit sogar bereit erklärt, die Kurtaxe von 83 Cents zu erheben und selber einzutreiben. Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo will aber weitergehen; sie denkt darüber nach, die Wohnungsregister der Stadt auch nach Haupt- und Ferienresidenzen zu führen. Dies würde genauere Kontrollen wesentlich erleichtern.