Die Masse der jährlich rund zehn Millionen Passagiere des Flughafens ahnt es nicht: Im Geschäft mit den Serviceleistungen auf dem Vorfeld, wo die Flugzeuge parken, werden die Karten neu gemischt.

Stuttgart - Die Masse der jährlich rund zehn Millionen Passagiere des Flughafens ahnt es nicht: Im Geschäft mit den Serviceleistungen auf dem Vorfeld, wo die Flugzeuge parken, werden die Karten neu gemischt. Im Februar will das Landesverkehrsministerium einen neuen Drittanbieter für den Bodenverkehrsdienst zulassen. Am 8. Dezember endete die Ausschreibungsfrist. Der Flughafenbetreiber als Platzhirsch aber hat sich längst gegen neue Konkurrenz in seinem Revier gewappnet.

 

Bis Jahresmitte 2016 haben auf dem Vorfeld noch 200 Mitarbeiter der Flughafen-Muttergesellschaft FSG zugepackt – neben der privaten Losch Airport Service GmbH als der vom Land ausgewählten Drittanbieterin sowie dem Gemeinschaftsunternehmen Airport Ground Service GmbH (AGS), an dem die FSG 60 Prozent hielt. Damit ließ es sich leben. Die Rolle von Losch als Drittanbieter aber steht nach sieben Jahren zur Disposition. Daher haben FSG und Losch zum 1. Juli schon einmal ihre AGS liquidiert und ein neues Unternehmen mit dem Namen Stuttgart Airport Ground Handling (SAG) an den Start gebracht. Dem hat die FSG ihr Bodenpersonal auf dem Vorfeld förmlich überlassen.

Flughafengesellschaft erlitt vor Jahren ein Trauma

Das Kalkül ist klar: Manchmal muss sich eben alles ändern, damit die Dinge bleiben, wie sie sind. Die FSG will weiter Geld verdienen auf dem Vorfeld und den Qualitätsmaßstab dort bestimmen – die Europäische Union aber will seit fast 20 Jahren private Konkurrenz fördern.

Schon von der frühen Liberalisierung hat die FSG ein kleines Trauma davongetragen. Nach dem Auftakt 1998 habe man mit dem damaligen Drittanbieter Servisair chaotische Zustände auf dem engen Vorfeld erlebt, klagt Flughafenchef Georg Fundel. Der neue Konkurrent habe die Preise um 30 Prozent gedrückt. Die FSG verlor Kunden, musste nach anderthalb Jahren aber einspringen, weil Servisair aufgab. Trotzdem hat sie seit damals keine Mitarbeiter für die Bodenverkehrsdienste mehr eingestellt. Der Flughafen Stuttgart habe sich aber, sagt Fundel, „im Wettbewerb neu erfunden“.

Flexibilität ist am Flughafen das A und O

Erst hob man die AGS aus der Taufe, die mit der FSG zusammen zuletzt 80 Prozent des Geschäfts machte, jetzt die SAG. Mit ihr will man nicht nur dem im Juli 2017 zu erwartenden Drittanbieter Paroli bieten, sondern weiteren Risiken. Die EU und die Monopolkommission, ein Beratergremium der Bundesregierung, würden gern mehr Drittanbieter zulassen.

Fundels Rezept für die SAG lautete so: Man nehme die restlichen 200, vergleichsweise gut verdienenden Bodenverkehrsdienstler der FSG. Man bringe sie mit den etwa 350 schlechter verdienenden AGS-Beschäftigten in ein neues Unternehmen ein. Also einerseits die höhere Qualifikation der FSG-Mitarbeiter, andererseits die preisgünstige Muskelkraft der AGS-Mitarbeiter. Wichtig seien aber auch der ausgefeilte EDV-Einsatz seitens der FSG, sagt Fundel, und die „mustergültige Flexibilität“ aller Mitarbeiter. Diese absolvieren unterschiedlich lange Schichten und gleichen die Nachteile mittels eines Jahresarbeitszeitkontos aus. So kann man Personal gezielt einsetzen, wenn viele Flugzeuge auf dem Hof stehen.

Haustarifvertrag in Vorbereitung

Alle zehn Minuten, schwärmt Fundel, mache der Computer Vorschläge, wie viele Mitarbeiter und welche Qualifikationen gebraucht werden – und wie viele Feierabend machen können. „Früher empfanden es unsere Leute als Strafe, heimgeschickt zu werden“, sagt Fundel, „heute verstehen sie, dass wir so Arbeitsplätze sichern.“ Mit dem Bezahlmodell nach dem Tarifvertrag Öffentlicher Dienst bei der FSG hätte man keine Chance mehr gehabt. Mit der Kombination aber habe „ein Wettbewerber keine Chance gegen uns“.

Versteckt sich dahinter aber nicht doch ein Sozialabbau oder fortwährende Ungerechtigkeit? Nein, beteuert Fundel. Die bisherigen FSG-Mitarbeiter würden weiter verdienen wie bisher. Qualifikation habe eben ihren Preis. Ein Teil der früheren AGS-Mitarbeiter, die laut Branchenbeobachtern knapp ein Drittel weniger Lohn erhalten, soll sich weiter qualifizieren und künftig mehr verdienen können.

Ein neuer „Zukunfts-Haustarifvertrag“ für die SAG solle noch 2016 besiegelt werden, sagt Rudolf Hausmann, der bis vor kurzem bei der Gewerkschaft Verdi im Land tätig und dort für die Luftfahrtbranche zuständig war. Eine Betriebsrente für die früheren AGS-Mitarbeiter solle 2017 eingetütet werden.

Gewerkschaften und Flughafenchef ausnahmsweise einig

Hausmann bewertet die Entwicklung als Beitrag zu den Bemühungen, Lohndumping auf dem Flughafenvorfeld zu verhindern. Wobei schon klar sei: „Das ist und bleibt ein Niedriglohnsektor, aber inzwischen liegt man über dem Mindestlohn und die Bedingungen sind halbwegs anständig.“ Die Gewerkschaften – beteiligt waren Verdi und Komba – hätten dem Flughafenchef natürlich klar die Bedingungen für ihre Mitwirkung aufgezeigt. Dass es im Betrieb nun so gut laufe, „überrascht mich selbst“, sagt Hausmann. Und Fundel urteilt auch, es klappe fast reibungslos. Womit sich ein großer Einsatz gelohnt habe, denn das Einfädeln sei nicht einfach gewesen: „Das setzte sehr viel Vertrauen von unseren Mitarbeitern voraus.“ Alle hätten eingebunden werden müssen, und doch sei die Operation geräuschlos abgelaufen, freut er sich.

Der Gewerkschafter Hausmann ist so frei, dass er Fundel bescheinigt: „In diesem Fall spielt er eine gute Rolle“. Das mutet wie ein kleines Wunder an, weil Fundel über Jahre hinweg ein angespanntes Verhältnis zu den Gewerkschaften hatte. Fast riecht es nach einem kleinen Happyend: In etwas mehr als drei Monaten verabschiedet sich Fundel in den Ruhestand.