Die Polizei hat am Freitag zunächst eine unangemeldete öffentliche Demonstration vermutet, als ihr eine Versammlung auf dem Stuttgarter Marktplatz gemeldet wurde. Doch Bürgermeister Wölfle klärte die Beamten auf: es handelte sich um eine Aktion der „Bürgermeister für den Frieden“.

S-Mitte - Zum fünften Mal fand am Freitag der Flaggentag der „Mayors for Peace“ – zu deutsch Bürgermeister für den Frieden – statt. Das weltweite Netzwerk besteht aus Städten und deren Bürgermeistern, die sich gegen Gewalt und den Einsatz für Atomwaffen und für den Frieden einsetzen. Die Flagge der Mayors for Peace wurde von Bürgermeister Werner Wölfle auf dem Rathausbalkon entrollt. Außerdem erhielt die Landeshauptstadt einen Ginkgo-Setzling von einem Baum, der den Atombombenabwurf auf Hiroshima überlebt hat.

 

Das Netzwerk war 1982 von Takeshi Araki, dem damaligen Bürgermeister von Hiroshima, gegründet worden. 2016 jährt sich auch der zwanzigste Jahrestag des Rechtsgutachtens des internationalen Gerichtshofes, das Atomwaffen für völkerrechtswidrig befand. Der Flaggentag der Bürgermeister für den Frieden soll den Stellenwert des Gutachtens hervorheben.

Vertreter von Friedensgruppen empfangen

Auf der Rathaustreppe empfing Werner Wölfle, Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser, Vertreter von Friedensgruppen auf der Rathaustreppe. „Friedensbewegte Stuttgarter und örtliche Friedensgruppen finden sich nun schon seit einigen Jahre zusammen und erinnern an das Gutachten“, sagte Wolfgang Schlupp-Hauck, der Vorsitzende der Friedenswerkstatt Mutlangen.

Um Punkt drei Minuten vor Zwölf sollte eigentlich die Flagge entrollt werden – diese Uhrzeit spielt auf die Gefahreneinschätzung des Magazins Bulletin of the Atomic Scientist hin, nach dem die Weltuntergangsuhr auf Drei vor Zwölf steht. Doch die Polizei machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Ihr war eine nicht angemeldete öffentliche Demonstration angezeigt worden. Bürgermeister Wölfle musste sich ausweisen und den Hintergrund der Veranstaltung erklären. Mit einigen Minuten Verspätung hing dann doch die Flagge an Ort und Stelle.

„Es gibt Zeichen der Hoffnung, dass die Zeit für eine atomwaffenfreie Welt zwar noch nicht angebrochen ist, aber die Notwendigkeit dafür in der Öffentlichkeit immer mehr wahrgenommen wird“, sagte Wölfle. Christiane Yamakoshi, Vertreterin des japanischen Honorarkonsulats Baden-Württemberg ist derselben Meinung. „Leider hat auch zwanzig Jahre nach dem Gutachten die Welt nicht gelernt, dass Atomwaffen auf unserem Planeten nichts verloren haben. Sie sind völkerrechtsverletzend und es ist wichtig, dass wir das Gutachten wach halten.“

Ginkgo-Baum auf der Dachterrasse

Für die Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt soll auch der kleine Ginkgo-Baum stehen, der sich nun auf der Dachterrasse des Rathauses befindet. Das Bäumchen soll hier einige Jahre wachsen. Wenn es dann zu groß für das Blumenbeet ist, wird ein Platz im öffentlichen Raum gesucht. „Der Baum ist ein Symbol dafür, dass das Leben selbst dann noch sprießt, wenn grausamste Ereignisse über ein Land oder über Städte gefegt sind“, sagte Bürgermeister Wölfle. Der Setzling des Ginkgo-Baumes war aus dem Samen eines Baumes gezogen worden, der nach dem Atombombenabwurf in Hiroshima im Jahr 1945 beim Atombombenabwurf völlig verkohlt und fast abgestorben war. Hiroshimas Bürgermeister Matsui hat den Samen bei Verhandlungen über nukleare Abrüstung bei der Uno vor vier Jahren an Wolfgang Schlupp-Hauck übergeben.

„Ich kann versichern, das Bäumchen strahlt nicht radioaktiv, sondern strahlt die Verpflichtung aus, dass wir in einer atomwaffenfreien Welt leben sollten“, sagte Bürgermeister Wölfle.