Insgesamt 99 Kommunen haben sich am Oberrhein zusammengeschlossen, um die Stechmückenplage zu bekämpfen – ihre Bilanz nach fast 40 Jahren: der biologische Wirkstoff B.t.i., ein inaktivierter Bazillus, ist wirksam und umweltverträglich.

Speyer - Wie viele Schnakenstiche erträgt jemand, der an einem warmen Sommerabend gern noch eine Weile im Freien sitzen oder an der frischen Luft ein wenig Sport treiben möchte, einigermaßen klaglos? „Das ist schwer abzuschätzen“, sagt der Züricher Mikrobiologe und Emeritus der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), Peter Lüthy. Bei etwa sechs Stichen liege für viele Leute die Toleranzgrenze – das habe eine Umfrage in seinem persönlichen Umfeld ergeben, hat der Schweizer Stechmückenexperte diese Woche bei einem Symposium der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) am Oberrhein in Speyer verraten. Die Organisation, in der sich 99 Städte und Gemeinden aus Baden, Hessen und der Pfalz zusammengetan haben, ist seit 39 Jahren im Einsatz, um die entlang des Stroms mit jedem Hochwasser neu schlüpfenden Generationen von Mückenschwärmen in für die Bürger erträglichen Grenzen zu halten. Ein Jahr vor ihrem runden Geburtstag hat die Aktionsgemeinschaft jetzt erstmals eine umfangreiche wissenschaftliche Bewertung der Umweltverträglichkeit ihrer Bekämpfung mit dem biologischen Wirkstoff B.t.i., einem inaktivierten Bazillus, vorgelegt.

 

Das Fazit: die Methode ist umweltverträglich und erfolgreich

Das Fazit ist durchweg positiv: Alle bisherigen Tests hätten gezeigt, dass die Methode erfolgreich und umweltverträglich sei, erklärte der Direktor der Aktionsgemeinschaft, Norbert Becker. „In den fast 40 Jahren, in denen das Mittel im Einsatz ist, gibt es nicht einen Fall, in dem es dadurch zu einer belegten Schädigung anderer Tiere gekommen oder das Nahrungsangebot für Vögel, Amphibien, Fledermäuse oder Libellen geschmälert worden ist“, fasste er die Ergebnisse der bisherigen Forschungsarbeiten zusammen; in einigen Gebieten hätten manche Arten sogar zugenommen. Insgesamt 151 Untersuchungen, von Diplom- und Doktorarbeiten bis hin zu Arbeiten im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Behörden, haben Wissenschaftler seit dem Start der Bekämpfung im Jahr 1976 verfasst.

Dessen ungeachtet hat es zum Auftakt der diesjährigen Schnakensaison nach längerer Zeit erstmals wieder Kritik an dem Verfahren gegeben. Aus Kreisen von Umweltschützern und der Universität der Koblenz-Landau wurde wiederholt – aber meist anonym – der Vorwurf erhoben, das Vorgehen der kommunalen Schnakenbekämpfer sei zu unspezifisch. Die Kabs agiere „im Blindflug“ und verbreite „Gift in der Umwelt“, war in einigen Artikeln zu lesen.

Der Einsatz der Substanz war planvoll, sagt ein Biologe

Dem haben die Verantwortlichen der Aktionsgemeinschaft bei einer Pressekonferenz ihrer Tagung energisch widersprochen. „B.t.i. ist Teil der Natur, es ist kein Umweltschädling, kein Gift. Wir gehen auch nicht unselektiv vor, sondern arbeiten bei der Bekämpfung sehr zielgerichtet“, sagte Becker. „Es gibt kaum einen Aspekt des Einsatzes, der noch nicht wissenschaftlich erforscht worden wäre“, erläutert der Präsident der Kabs, der frühere Landrat Paul Schädler. „Unsere Kritiker haben dagegen in puncto Schnaken nur wenig vorzuweisen“, sagte er. Es gehe ihnen offenbar vor allem darum, Geld für eigene Forschungsaufträge zu bekommen. Die Kabs selbst, räumte er ein, habe womöglich in der Vergangenheit gelegentlich versäumt, eigene Studien in ausreichendem Maß zu publizieren; dies wolle man gern nachholen, versicherte er.

Auch Thomas Braunbeck, Biologieprofessor an der Universität Heidelberg, die bei der Entwicklung der Schnakenbekämpfung von Beginn an mitgewirkt hat, widersprach der Kritik am Kabs-Konzept. „Man ist da nicht kopflos vorgegangen, man hat die Substanz zunächst im Labor und dann im Freiland getestet und selbstverständlich auf Nebenwirkungen geachtet“, sagte er. „Ich habe die Kritiker gefragt, ob sie eine bessere Alternative haben – ich habe bis heute keine Antwort bekommen“, sagte er und warnte davor, das von den Mücken ausgehende Risiko zu unterschätzen.

„Viele jüngere Leute haben vergessen, dass wir am Rhein bis vor nicht allzu langer Zeit noch Malaria hatten – und es gibt hier noch immer mehrere Arten, die sie übertragen können“, erklärte Braunbeck. „Es ist also kein reines Luxusproblem, wenn wir nicht gestochen werden wollen, sondern auch eine Frage der Gesundheitsvorsorge.“