Der gemeine Holzbock – vulgo: Zecke – kennt wegen des Klimawandels kaum noch eine Winterpause. In der Region Stuttgart sind die Spinnentiere bis auf wenige Wochen das ganze Jahr aktiv.

Stuttgart - Zecken sind ein Problem des Sommers: Das denken viele, aber das stimmt nicht, zumindest nicht mehr. Die Spinnentiere sind in der Region Stuttgart fast das ganze Jahr über aktiv. Allenfalls im Januar sind die Blutsauger im Zeitalter des Klimawandels noch kaum zu finden. Ansonsten wuselt es in der Region und das auch ganz weit entfernt von Wald und Flur, wo man die Zecken am ehesten vermuten würde.

 

Dies ist ein Ergebnis einer aktuellen Studie der Universität Hohenheim, in deren Rahmen seit 2014 in 100 ausgewählten Gärten im Großraum Stuttgart Zecken gesammelt, gezählt und untersucht wurden. Das Ergebnis, das Forscher nun auf dem Süddeutschen Zeckenkongress in Hohenheim vorstellten: In 75 Prozent der Gärten wurden Zecken gefunden, die sich vom Schrebergarten bis hin zum penibel gepflegten Ziergarten überall wohlzufühlen scheinen. Für die Hohenheimer Professor Ute Mackenstedt bedeutet dies: „Wer aus der Haustür tritt, steht im Lebensraum der Zecken“, sagt die Parasitologin. Dabei nehme zwar die Zahl der Zecken in den Gärten mit der Entfernung vom Waldrand ab, aber selbst in der Innenstadt seien die Tiere nachzuweisen. Eingeschleppt werden die Zecken meist durch Haustiere wie den Hund, aber auch Wildtiere wie Mäuse, Füchse oder Vögel transportieren die Schädlinge weit in die Städte hinein. In einem Garten in Botnang wurden zum Beispiel 1600 Zecken eingesammelt – der höchste Wert der Studie überhaupt. Die Untersuchung wird auch 2016 weitergeführt.

Zecken übertragen gefährliche Krankheiten

Bei etwa zwei Prozent der in der Region Stuttgart gesammelten Zecken konnte man die Erreger der Lyme Borreliose nachweisen, einer bakteriellen Infektion, die man allerdings mit Antibiotika behandeln kann. Nicht gefunden wurde dagegen das FSME-Virus, das eine gefährliche, nicht behandelbare Hirnhautentzündung auslösen kann. Dieses Ergebnis verwundert auch die Expertin Mackenstedt, da auch die Zecken aus einem Garten FSME-negativ waren, der seit Jahren als Hot Spot für das Virus gilt. Das würde aber nicht bedeuten, dass dies auch künftig so sei.

44 Landkreise in Baden Württemberg gelten als FSME gefährdet, sechs davon sind als Schwerpunkte gelistet, in der Region gehört Böblingen dazu. Insgesamt sei das Risiko, an der gefährlichen Hirnhautentzündung zu erkranken, aber nicht besonders hoch. Laut dem Berliner Experten und Biologen Olaf Krahl werden in Deutschland jährlich etwa acht Millionen Zeckenstiche gezählt, die Zahl der an FSME Erkrankten schwankt zwischen 200 und 400 jährlich. Für etwa zwei Prozent der Patienten endet die Infektion tödlich. Menschen jenseits der 50 haben ein erhöhtes Risiko bleibender Nervenschäden nach FSME.

Impfen kann sinnvoll sein

Gegen die Hirnhautentzündung kann man sich impfen lassen, wozu Gerhard Dobler, der Leiter des Deutschen Konsiliarbüros für FSME, allen rät, die in den Zeckengebieten viel im Freien sind. Zecken sind allerdings in der Lage, noch weit mehr Krankheiten zu übertragen. In jüngster Zeit werden als Zeichen des Klimawandels immer mehr Zeckenarten gefunden, die in Deutschland eigentlich nicht heimisch sind. Diese Tiere kommen zum Beispiel als sogenannte saugende Nymphen schon immer aus Südosteuropa oder Nordafrika mit Zugvögeln nach Deutschland. Während es den Nymphen aber bisher kaum gelang, sich hier zu einem erwachsenen Tier weiterzuentwickeln, scheint ihnen das durch die steigenden Temperaturen immer besser zu gelingen. Der Biologe Krahl berichtet von in Deutschland gefundenen Zecken aus dem Süden, die im Verdacht stehen, eine sehr schwere Virusinfektion die mit inneren Blutungen einhergeht (Hämorrhagisches Fieber) auszulösen.

Die Gesundheitsrisiko durch Zecken scheint also künftig zuzunehmen. In Hohenheim forscht man deshalb auch über eine sinnvolle Bekämpfung der Spinnentiere. Im Test ist ein Pilz, der in der Lage sein soll, die Zecke praktisch von innen heraus regelrecht aufzulösen.