Die Nachmittagshitze legt sich schwer über das Kinzigtal. Endlich darf Al Lahab auf die Koppel. Die Staubkörner des Heus tanzen im Licht der Sonne, als er wie ein junges Mädchen nach draußen trippelt. Kaum hat ihm Friedmann das Halfter über den Kopf gestreift, prescht er los. Die Sprünge greifen nach Raum. Sein Schweif verfängt sich im Wind wie ein orientalischer Schleier in einem Strauch Rosen. Plötzlich bremst er ab, schielt nach Zuschauern. Al Lahab steht nicht einfach da, sondern stellt sich dar, posiert. Sehnsuchtsvoll verlieren sich seine Augen, wie mit Kajal ummalt, in der Ferne. Er hat alles gewonnen, was ein Araberhengst gewinnen kann. Von nun an soll sich alles um sein Sperma drehen. Al Lahab, der König der Vererber.

Der Hengst hat bereits 150 Nachkommen auf der ganzen Welt


In einem der Ställe steht ein überdimensionaler Bock. Vierzigmal pro Jahr harrt davor geduldig eine Stute aus. "Damit er heiß wird", sagt Friedmann. Entflammt springt Al Lahab auf den Bock, der Tierarzt fängt den Samen auf und untersucht ihn sofort. Al Lahab sei absolut kein Rambo. Doch die Gefahr, dass er oder eine der Stuten sich bei Natursprüngen verletzten, sei einfach zu groß. Aus Amerika, Ägypten und Australien jetten die Stuten nach Unterharmersbach, um den Samen des Schönsten zu empfangen. "Verrückte Welt." Hansjürgen Friedmann schüttelt den Kopf.

150 Nachkommen des Hengstes leben bereits quer über den ganzen Globus verstreut. 4500 Euro kostet eine Befruchtung vom Schönsten aller Schönen. Ein sehr lukratives Geschäft. Hansjürgen Friedmann und seine Frau investieren ihre Freizeit und ihren Urlaub in die Araberpferde. Sie fahren mit ihnen auf Schauen, organisieren das Deckgeschäft und arbeiten nebenher Vollzeit in ihrem Laden für Großkücheneinrichtungen. Nach jedem Arbeitstag führt sie ihr letzter Gang kurz vor Mitternacht noch einmal durch den Stall.

Am Abend rollt ein Auto mit Pferdehänger durch das videoüberwachte Tor des Lunzenhofs. Al Lahab wirbelt in seiner Box herum, scharrt und schnaubt, wirft seinen Kopf auf und ab. Ungeduldig, fordernd. "Er weiß, dass es Arbeit gibt", sagt Hansjürgen Friedmann und lacht. Dann klackern Hufe auf dem Teer. Die Schweizer Züchter Maja und Ernst Schläpfer bugsieren ihre Stute Muhadschirina heraus. Neben der Stute stakst aufgeregt ihr Fohlen, das erst wenige Wochen alt ist. Muhadschirinas nächste Tochter soll ein Al-Lahab-Spross sein.

Die letzten Sonnenstrahlen flackern über dem Tal, bevor der Schatten auch sie verschlingt. Hansjürgen Friedmann führt die Schläpfers durch die Stallungen. Vor jedem Pferd bleiben sie stehen, fachsimpeln. Typvoller Hechtkopf, fein geschwungener Hals, muskulöse Brust. Tayar, ein Junghengst, schleckt Maja Schläpfer mit seiner rosa Zunge über die rot lackierten Fingernägel. "Aber jetzt zum Schönsten der Schönen", drängt Maja Schläpfer. Sie will ihn sehen, Al Lahab, die Flamme. Sofort reckt der Hengst sein so makelloses Gesicht aus der Pferdebox. Hansjürgen Friedmann erzählt, von Dubai und den Siegen. Aber Maja Schläpfer hört nichts mehr. "Eine Augenweide", flüstert sie nur. Al Lahab gähnt.