Der Referendar Philipp Rolke baut mit einer Gruppe Jugendlicher an der Albert-Schweitzer-Schule zwei Anhänger um. Die BW-Bank unterstützt das Projekt mit 2500 Euro.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Rohr - Von außen wirkt das Haus unscheinbar, doch das Innere ist beeindruckend. Nicht umsonst nennen viele Eltern die Schule „Harry-Potter-Schule“. Die hohen Decken, großen Treppenaufgänge und dunklen Holztüren erinnern an ein altes Schloss. Doch das Gebäude hat eine unschöne Geschichte. Die Nazis bauten es einst als Heim für die Hitler-Jugend (HJ). Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Paulinenpflege auf das Gelände. Seit den 70er-Jahren befindet sich dort die Schule für Erziehungshilfe, die später den Namen Albert-Schweitzer-Schule bekam.

 

Martin Hermann ist seit fast 20 Jahren an der Schule, seit mehr als zwölf Jahren ist er der Rektor. „Aus Überzeugung“, betont Hermann. Maria Theresia Burkert geht es ähnlich. Sie ist eine der beiden Konrektorinnen und seit etwa 25 Jahren an der Schule. Sie schätzt die intensive Arbeit mit den Kindern und das gute Klimae.

Verbundenheit mit der Natur

Dazu gehöre auch, dass die Kollegen ihre eigenen Ideen und Projekte einbringen können. So gibt es zum Beispiel seit einigen Jahren Tiere auf dem großzügigen Gelände auf der Rohrer Höhe. Die Schüler pflegen zwei Hängebauchschweine, Hühner, einen Hahn und Kaninchen.

Die Verbundenheit mit der Natur wird an der Albert-Schweitzer-Schule groß geschrieben. Das ist ein Grund dafür, dass eine Gruppe Jugendlicher derzeit an zwei grünen Klassenzimmern arbeitet. Der Referendar Philipp Rolke hat das Projekt initiiert. Er brachte die Idee von einer anderen Schule mit. Eigentlich hatte er mit einem umgebauten Wohnmobil geliebäugelt. Aber das ließ sich nicht realisieren. Nun gibt es zumindest einen alten Bauwagen und einen Wohnanhänger. Den Bauwagen hat die Schule vor einiger Zeit von einer Spende ersteigert. Den ausgedienten Wohnanhänger gab es geschenkt – von dem Vater einer Kollegin.

Schüler erlernen handwerkliche Fähigkeiten

Seit dem Ende der Sommerferien arbeiten Rolke und eine Gruppe Schüler nun schon an den beiden Anhängern. Die BW-Bank unterstützt das Projekt mit 2500 Euro. Das Geld stammt aus dem Prämiensparen. Die Spende wird gebraucht, denn das Material für das Aufhübschen und Umgestalten der Anhänger ist teuer. Bei dem alten Bauwagen gibt es besonders viel zu tun. „Die Außenhaut war an einer Stelle undicht“, erzählt Rute, die bei dem Projekt mitmacht. Sie und ihre Mitstreiter haben die Stelle abgedichtet und innen neu mit Polystyrol gedämmt.

Die Schüler haben alle Wände verspachtelt und gestrichen. „Zudem haben wir alle Schranktüren des Bauwagens verkleidet“, ergänzt Dennis nicht ohne Stolz. In den kommenden Monaten wollen die Schüler zusammen mit ihrem Lehrer noch Laminat in den Bauwagen legen, die teils kaputten Fenster aus Plexiglas austauschen und Polster für die beiden Sitzecken nähen. Dazu sind noch zwei Tische geplant. Die selbst angefertigte Tafel für den Bauwagen gibt es bereits.

Während in dem einen Bauwagen gelernt werden soll, ist der andere zum „Chillen“ da, wie Rute es formuliert. Der Wohnanhänger ist deutlich besser in Schuss als der Bauwagen. Rolke will zusammen mit den Schülern das Klo ausbauen und stattdessen einen Schrank mit viel Stauraum einrichten.

Bis zu den Sommerferien soll es fertig sein

Der Referendar hofft, dass beide Bauwagen bis zu den Sommerferien fertig werden. Dann sollen die beiden mobilen Klassenzimmer durch die nähere Umgebung rollen. „Wenn man den Lernort verändert, eröffnet das andere Möglichkeiten“, sagt Rolke. Vor allem im naturwissenschaftlichen Unterricht sei es sinnvoll, im Grünen zu lernen. Fast noch wichtiger seien aber all die Dinge, welche die Mädchen und Jungen während des Projekts lernen. Denn dabei handelt es sich um eine freiwillige AG. „Die Schüler müssen das nicht machen“, betont Burkert. Die Tatsache, dass sie dennoch dabei bleiben, ist der Beweis dafür, dass die Jugendlichen gelernt haben, dass es sich lohnt, an einer Sache dran zu bleiben, in einem Team zu arbeiten und gemeinsam was auf die Beine zu stellen.

„Außerdem kann ich den Schülern einige handwerkliche Fähigkeiten vermitteln“, ergänzt Rolke. Und während die Schüler mit ihrem Lehrer gemeinsam hämmern und schrauben oder sich zwischendurch am Feuer aufwärmen, erzählen die Mädchen und Jungen auch mal von ihren Problemen und davon, was sie beschäftigt. „Das sind die wertvollen Momente für die Schüler und für uns Lehrer“, sagt Burkert.

Daten und Fakten zur Schule

Das nach Albert-Schweitzer benannte Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“ bietet vielfältige Bildungsangebote, die eng mit den sozialpädagogischen Jugendhilfeangeboten auf dem Gelände der Paulinenpflege an der Thing-straße in Stuttgart-Rohr vernetzt sind. Träger ist die Stiftung Jugendhilfe aktiv. In den Gebäuden werden Schüler aus ganz Stuttgart und aus dem Landkreis Böblingen in den Klassenstufen 1 bis 7 unterrichtet. Kinder, die mit den Möglichkeiten der allgemeinen Schule nicht ausreichend gefördert werden können, lernen, sich dank des Klassenlehrerprinzips und der geringen Schülerzahl in Kleingruppen auf verlässliche Strukturen und Beziehungen einzulassen. Die Pädagogen wollen die sozialen Kompetenzen stärken.

Derzeit unterrichten 90 Lehrer etwa 400 Schüler an 42 Standorten. Denn das System ist durchlässig, es gibt Außenklassen und Inklusionsschüler an verschiedenen anderen Schulen. Viele Kinder brauchen nur in einer bestimmten Lebenssituation und übergangsweise die spezielle Hilfe der Albert-Schweitzer-Schule und gehen danach wieder auf eine allgemeinbildende Schule. Die Mädchen und Jungen können aber auch direkt an der Albert-Schweizer-Schule den Haupt- und Werkrealschulabschluss und künftig auch den Realschulabschluss machen.