Vor dem Runden Tisch im Staatsministerium scheint ein Kompromiss gefunden, wie die Trinkerszene ausgetrocknet werden könnte: mit Trinkverboten. Wenn da nur nicht die grüne Parteijugend aufmucken würde.

Stuttgart - In den schier unendlichen Streit um Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen kommt Bewegung. Im Vorfeld des von Ministerpräsident Winfried Kretschmann für Donnerstag ins Staatsministerium einberufenen Runden Tisches haben sich die Grünen auf eine Änderung des Polizeigesetzes verständigt. Demnach soll die Polizei in die Lage versetzt werden, einzelnen Personen für die Dauer von maximal einem Jahr ein Platzverbot zu erteilen. Bei einer Telefonkonferenz, an der auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie Grünen-Landeschef Chris Kühn teilnahmen, verständigte sich die Grünen-Spitze auf eine Ergänzung des Polizeigesetzes.

 

Wie aus Parteikreisen verlautet, wurde der Vorschlag von der Tübinger Polizei ausgearbeitet und von Oberbürgermeister Boris Palmer in die Vorbereitungen zu dem Runden Tisch eingespeist. Allerdings stößt der Vorschlag auf den Widerstand der Grünen Jugend. Deren Landessprecher Marcel Emmerich sagte auf Anfrage: „Die Grünen müssen wieder für Freiheit und Toleranz stehen – dafür wurden sie gewählt.“

Gall warnt vor No-Go-Areas

Die Formulierung der Gesetzesänderung lautet: „Die Polizei kann einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet unter dem Einfluss von Alkohol oder sonstiger berauschender Mittel zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person unter dem Einfluss berauschender Mittel eine Gefahr verursachen wird.“ Die Bestimmung soll als Paragraf 27 b ins baden-württembergische Polizeigesetz eingefügt werden – im Anschluss an die Regelung über den Platzverweis in Paragraf 27 a. Der Unterschied: Der Platzverweis fordert das Verlassen eines Platzes, das Platzverbot – oder auch Betretungsverbot – unterbindet von vornherein das Betreten desselben. An dem Runden Tisch sollen auch Vertreter von Kommunen und Verbänden teilnehmen. Regierungschef Kretschmann wie auch Innenminister Reinhold Gall gelten als Befürworter von räumlich wie zeitlich begrenzten Alkoholkonsumverboten. Bisher konnten sie sich aber nicht durchsetzen. Einen entsprechenden Vorschlag des SPD-Innenministers schmetterte ein Landesparteitag im vergangenen Herbst ab, obwohl Gall die Delegierten beschwor, dass von Betrunkenen beherrschte No-Go-Areas in den Städten nicht geduldet werden könnten. Auch die Grünen zeigten sich unnachgiebig.

Der Vorteil des Kompromisspapiers liegt nach Auffassung der Initiatoren darin, dass sich das Verbot „ausschließlich gegen den Verursacher oder Gefährder selbst richte und nicht wie bei einem räumlichen Alkoholkonsumverbot gegen eine unbestimmte Anzahl von Personen, unabhängig davon, ob von den Einzelnen Ordnungsstörungen ausgehen oder nicht“. Nach dem Prinzip der Gelben Karte wäre es möglich, dass nach einem Platzverweis durch die Polizei im Wiederholungsfall ein zeitlich und örtlich begrenztes Betretungsverbot ausgesprochen wird. Die Landtagsfraktion der Grünen beschloss gestern, den Vorschlag „zu prüfen“. Hans-Uli Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer, sagt: „Für Maßnahmen unterhalb eines generellen Verbots war die Fraktion immer offen.“

Grüne Jugend protestiert

Innerhalb der Grünen hält der Jugendverband an seinem Nein fest. „Der Runde Tisch wird auf diesem Weg ad absurdum geführt“, heißt es. Sie wendet sich unter anderem gegen die einjährige Dauer eines solchen Platzverbotes. „Die lange Zeitdauer beschneidet die Freizügigkeit“, moniert Landessprecher Emmerich. Nicht genug damit. Die Begriffsbestimmung des Alkoholkonsums sei viel zu unbestimmt. Jedes Glas genüge. Aus sei das Gebiet völlig unbeschränkt. Bisher sei immer von „einigen Problemhotspots“ die Rede gewesen. Nun werde die Regelung quasi überall anwendbar. Emmerichs Fazit : „Wer trinkt, verliert seine Grundrechte.“ Jessica Messinger, Co-Sprecherin der Grünen Jugend, fordert: „Wir müssen jetzt weg von dieser Verbotsrhetorik und endlich konsequent über Gewalt- und Alkoholprävention sprechen.“