Der Bodensee-“Tatort“ läuft aus. Jetzt melden sich aus allen Himmelsrichtungen Städte aus dem Land, die – neben den Stuttgarter Kommissaren – Standort der Nachfolge-Staffel werden wollen. Der SWR sieht’s geschmeichelt. Noch 2015 soll die Entscheidung fallen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der SWR lässt den Konstanzer „Tatort“ sterben, eine für viele Bodenseefans traurige Nachricht, die andererseits ruckartig Leben in Rathauschefs, Landräte und Abgeordnete aus dem ganzen Südwesten gebracht hat. Wie heißt die nächste „Tatort“-Stadt? Es geht um Magnetwirkung, Bettenbelegungen, wichtige Punkte im bundesweiten Städtewettbewerb. Das Rennen läuft.

 

Mit dabei ist zum Beispiel Freiburg, von wo aus flugs ein Exposé an den SWR geschickt worden sein soll, in dem die Vorzüge der Stadt als Krimidrehort – etwa die Grenznähe zu Frankreich und zur Schweiz – zusammengefasst sind. Nicht lange ließ die Ulmer SPD unter Anführung des Landtagsabgeordneten Martin Rivoir auf sich warten. Der Gedanke vom Mordgeplänkel an nebligen Donaugestaden wurde wendig zu einer Regionalidee ausgeweitet, der sich die Städte Heidenheim und Biberach anschlossen. Eine Online-Petition sollte der Initiative Würze und Auftrieb verleihen, auf dass die  SWR-Senderspitze nicht mehr weghören könne.

Im Tagestakt haben weitere Städtevertreter Ansprüche auf die Konstanz-Nachfolge angemeldet. Darunter Baden-Baden, wo mittlerweile weniger Russen als früher ins Casino gehen und ein zusätzliches, bundesweit strahlendes Scheinwerferlicht wohltäte. Es folgte ein Marketing-Doppelschlag der Städte Mannheim und Heidelberg, wo sich dramaturgisch spannende „Kontraste und Gemeinsamkeiten“ fänden (Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz) und „die gesellschaftspolitische Dimension“ der Krimiserie „zu einer neuen Relevanz gelangen“ könnte (Heidelbergs OB Eckart Würzner).

Geschmeichelter SWR

Der Karlsruher Rathauschef Frank Mentrup ließ wiederum keinen Zweifel, dass seine Fächerstadt die beste Kulisse für den nächsten Tatort abgäbe. Eine Rathaussprecherin sagte schon mal, was Mitkonkurrenten möglicherweise zittern lässt: „Wir sind zuversichtlich.“

Der SWR gab sich zunächst geschmeichelt. „Das ist ja eine bemerkenswerte Wertschätzung für das Phänomen ,Tatort‘“, so die Fernsehfilmchefin Martina Zöllner in einem Statement. Doch der SWR müsse sich „den kreativen Freiraum bewahren“. Die Redakteure des Senders würden sich schon selber im Sendegebiet auskennen, es würden „verschiedene Modelle und Konstellationen“ durchgespielt. Die Entscheidung über das neue „Tatort“-Format falle im Lauf des Jahres.

Die einmal geweckten Begehrlichkeiten aus allen Ecken des Landes hat der Sender damit aber nicht von sich abwenden können. Gut möglich sogar, dass die Standortsuche bald von der Humoreske in ein Politikum umschlägt. Denn das nächste „Tatort“-Konzept ist mittlerweile auch Thema im Rundfunkrat. Der grüne Landtagsabgeordnete Alexander Salomon, Parteisprecher für Netz- und Medienpolitik und selber Ratsmitglied, hat in einem Schreiben den SWR-Intendanten Peter Boudgoust aufgefordert, den Rundfunkrat in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Er könne sich vorstellen, so Salomon, „dass über etwaige Standorte und ihre Vor- und Nachteile im Rundfunkrat diskutiert wird“.

Thema für den Rundfunkrat?

Das Schreiben ist drei Wochen alt, eine Antwort habe er bisher nicht erhalten, sagte Salomon auf Nachfrage. Mehrere Kollegen im Rundfunkrat hätten ihm signalisiert, dass auch sie ein transparentes Verfahren bevorzugen würden. Für den Karlsruher Abgeordneten müsse der nächste „Tatort“ „etwas Neues bieten“ und sich von den Konzepten Stuttgart und Ludwigshafen absetzen. Er könne sich eine Staffel vorstellen, in der „ein gewisser Witz drin ist“. Am besten, und da wird Salomon ebenfalls zum Heimatlobbyisten, in Karlsruhe.

Dort sei schließlich die Generalbundesanwaltschaft beheimatet – ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für die Fächerstadt. „Noch vor der Sommerpause“, muss laut Salomon die offene Debatte über die Pläne des Senders kommen, wenn sie noch rechtzeitig Wirkung erzielen soll. Ob der SWR wirklich bereit sein wird, die Freiheit seiner Redaktion zur Debatte zu stellen, dürfte fraglich sein. Zumal nicht klar ist, inwieweit die vielen lockenden Stimmen aus der Politik wirklich auch Volkes Meinung wiedergeben. Am vergangenen Donnerstag schloss, nach einem Monat Laufzeit, die von Ulm aus initiierte Online-Petition „Schwaben-Tatort!“, aufgerufen waren Krimifans aus der Region Ulm, Heidenheim und Biberach. Die Zahl der Unterstützer betrug 1216.

Zudem scheint es manchem Rathauspolitiker mehr um die Gunst der Stunde als wirklich um einen SWR-Zuschlag zu gehen. So warb der Leutkircher Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle in der Lokalzeitung mit vielen „interessanten locations“ – etwa „Märchenschlösser wie Rimpach und Zeil“. Klaus Mack, der Bürgermeister von Bad Wildbad, durfte daselbst im SWR „tiefe Schluchten“ oder den örtlichen „Baumwipfelpfad“ rühmen. Das habe Kultpotenzial. Was immer noch geschehen mag: das ist nun auf jeden Fall gesagt.