Die Sommerausstellung in der Ludwigsburger Arena ist geplatzt. Macht nichts, es gibt ja jetzt die Totholzschau.

Umgestürzte Bäume, urzeitliche Käfer, Riesenkakerlaken: die Ludwigsburger Sommerausstellung 2015 heißt „Totholz“, und sie findet nicht in der Arena, sondern auf der Sternkreuzung statt. Um zu verstehen, wie es dazu kam, müssen wir etwas ausholen und weit gen Osten reisen. Bis hin zu den fernöstlichen Weisheiten. Diese nämlich haben es dem Oberbürgermeister angetan. Besonders eine Erzählung aus dem China des zwölften Jahrhunderts. Ein Hirte wird von einem Wanderer befragt, wie wohl das Wetter wird, und der sagt: „Es wird so, dass ich zufrieden sein werde.“ Der Wanderer fragt: „Woher weißt du, dass es so wird, dass du zufrieden sein wirst?“ Der Hirte antwortet: „Was immer geschieht, es liegt an uns, Glück oder Unglück darin zu sehen.“

 

Belebender Tod

In diesem Sinne müssen wir auch die Worte von Werner Spec verstehen, die dieser tat, als er von den Stadträten befragt wurde, wie hoch die Einbußen wegen der geplatzten Dauerausstellung in der Arena seien. Der OB hub an und sprach: „Da wir vor dem Bau der Mehrzweckhalle nie an eine solche Ausstellung gedacht haben, ist es auch kein Verlust, wenn sie jetzt nicht stattfindet.“ Unnötig zu sagen, dass die Verblüffung groß war. Die Stadträte befinden sich eben noch ganz am Anfang des Wegs der Läuterung, sie rechnen noch und denken immer nur ans Geld. Der Oberbürgermeister dagegen hat die Sprossen höchster Weisheit erklommen, deren eine lautet: Erwarte nichts, dann wirst du auch nicht enttäuscht! Gefeilsche um Gewinn und Verlust hat da natürlich keinen Platz mehr.

Aber unter uns, die wir noch rechnen und uns von Geldsorgen um den Schlaf bringen lassen: Was, bitte schön, können denn auch tote Ägypter, tote Pferde oder tote Irgendwers zur Belebung einer Stadthalle beitragen? Wir wissen nicht, welche Ausstellung für dieses Jahr geplant war, aber es wird gemunkelt, der Verband der Bestattungsunternehmer habe sich mit der Schau „Der Sargnagel und seine Bedeutung in der  Spätantike“ einmieten wollen. Nur leider hätten die ewigen Play-off-Spiele der MHP-Basketballer die Pietät gestört.

Sei’s drum. Das umtriebige Rathaus hat für Ersatz gesorgt, Ludwigsburg bleibt auch in diesem Jahr seinem Totenkult mit kalkuliertem Gruselfaktor treu. Auch wenn das totenstille Spektakel, wie erwähnt, diesmal an der Sternkreuzung über die Bühne geht: statt mausetoter Mumien und fein säuberlich filetierter Hunde und Katzen gibt es diesmal Totholz mit possierlichem Holzungeziefer. Eine Ausstellung der Superlative – ganz ohne Eintritt! Und was das Schönste ist: Bietigheim-Bissingen, Freiberg, Ingersheim, Remseck und Tamm bekommen auch ein paar tote Äste mit Hirschkäfern und Larven hingeworfen.

Wettrennen der Tausendfüßler

Die „Installation will zeigen, wie viel Leben in abgestorbenem Holz steckt“, so das erklärte Ziel. Offenbar aber haben die Macher vor allem an Menschen gedacht, die sowohl unter extremer Kurzsichtigkeit als auch am grauen Star leiden. Sie wollten auf Nummer sicher gehen: Damit nur ja kein Käferlein am Wegesrand übersehen wird, wurde das Kleingetier vergrößert. Für Menschen mit gesunden Augen ist das Resultat nun allerdings zum Fürchten. Ist das die Invasion der Killerameisen? Die Rückkehr der Riesenschaben? Sind wir in die Dreharbeiten für das Remake eines Hollywood-Schockers aus den fünfziger Jahren geraten?

Es ist der schiere Albtraum: Da fläzen sich fette Schnecken neben ekligen Pilzen, während Riesenspinnen mit drei Meter langen Tausendfüßler-Mutationen um die Wette rennen – über Baumstämme in Streichholzgröße. Hat auch mal jemand an die armen Kinder gedacht? Im nächsten Jahr wollen wir wieder unsere toten Pharaonen haben. Bei denen waren wenigstens nur die Särge riesengroß.