Seit vielen Jahren fordern die Stadträte ein Klo am Akademiehof. Jetzt ist der Ludwigsburger Toilettenstreit zur Machtfrage zwischen dem Hohen Rat und zwei Hochschulbossen geworden.

Ludwigsburg - Die galaktische Zeituhr war wie schon seit 65 Millionen Jahren im Känozoikum stehen geblieben, der Kalender der Erdlinge zeigte auf einen Herbst. Einen November, um genau zu sein, im terrestrischen Jahr 2015. Damals war auf dem Ludwigsburger Akademiehof ein Raumgleiter gelandet. Superleicht, bonbonfarben und mit Ionen-Antrieb ausgestattet. Die Kreaturen, die diesem Irrläufer aus der Sternenflotte der Alkoiden entstiegen, behaupteten, sie kämen vom Planeten „Spatium mundi“ (später sollte sich unter den Einheimischen dafür der Ausdruck „Raumwelten“ durchsetzen).

 

Als Herkunftskoordinaten gaben sie ein Sonnensystem zwischen Alpha Centauri und dem Futurum zwei an. Und ja, natürlich, sie kämen in friedlicher Absicht. Ihre Botschaft sei in erster Linie virtuell, und sie seien in der Lage, die doch immer noch sehr altbarocke Stadt spornstreichs in die Zukunft zu katapultieren. Um die guten Absichten zu unterstreichen, sprachen sie nicht nur wie Menschen, sie schlüpften auch in menschenähnliche Körper. Offenbar jedoch, ohne an die misslichen Folgen dieser Gestaltwandlung zu denken.

Der Unrat von Außerirdischen

Denn damit überkam die Fremdlinge schlagartig auch das ihnen völlig unbekannte Bedürfnis, zu essen und zu trinken und danach zu … Nun ja, darauf waren sie einfach nicht vorbereitet. In ihrem ultramodernen Raumgleiter vom Typ Kugelraumer gab es zwar viele schicke High-Tech-Geräte, aber keine Vorrichtungen für eines der drängendsten Probleme des Homo sapiens. Das Ende vom Lied: nach ihrem Abflug sah es rund um den als Landebasis benutzten Akademiehof ziemlich trostlos aus. Wo zuvor saftiggrünes Gras gewachsen war, war alles gelb. Die Leute vom Gartenamt mussten das gesamte Areal neu bepflanzen. „Das sieht ja fürchterlich aus“, schimpfte der Leiter der Filmakademie. „Diese Außerirdischen wollen wir hier nie wieder sehen.“

Die Stadträte dagegen erinnerten sich an eine alte, aber leider längst unter all den Sitzungsvorlagen, mit denen sich die Auserwählten des Menschengeschlechtes zu beschäftigen haben, verschütt gegangene Idee: Wollten wir denn nicht schon immer eine Toilette auf dem Akademiehof bauen? Aber natürlich, so war es. Aber die böse Administration hatte mal wieder nicht getan, was der Hohe Rat beschlossen hatte. Und zwar schon im terrestrischen Jahr 2011, wie spätere Nachforschungen ergaben. Denn nicht nur Wesen aus dem All haben sich auf dem Akademiehof daneben benommen, sehr viel früher haben dort schon Erdenbewohner gewütet wie die Aliens: Schmutz, Unrat und Ausscheidungen aller Art verunzierten vor allem nach den Wochenenden den schönen Platz in der Stadtmitte. Das ist skandalös, befand das Komitee. Ein Abort könnte da vielleicht Abhilfe schaffen. Aber ein besonderer sollte es sein. Einer, der sich wunderbar einfügt in die Kunstlandschaft zwischen Akademie und Akademie. Und klein sollte er sein. Am besten getarnt als Anbau eines Cafés oder versteckt hinter Bäumen und Blumen.

„Bitte kein Dixi-Klo!“

Aber, wie gesagt, die Exekutive hat nicht geliefert. Einmal verkündeten die Verantwortlichen, der Bau einer praktisch unsichtbaren Toilette sei irre teuer. Ein andermal gaben sie zu bedenken, dass die gewünschte Lokus-Camouflage wohl auch nie benutzt, weil niemals gefunden werde. Schon gar nicht, wenn es am dringendsten sei. Papperlapapp, meinten darauf die Ratsgewaltigen. Wenn ihr das so nicht hinbekommt, dann baut uns wenigstens ein Provisorium: „Aber bitte kein Dixi-Klo.“ Das aber nun missfiel den Anrainern, den beiden Akademie-Chefs, ganz außerordentlich. „Auf keinen Fall“, schrien sie. „Nicht mit uns. Unser Platz soll kein Vorplatz für ein öffentliches Pissoir werden.“ Also verfügte der Dezernent für Hochbau und Bedürfnisanstalten, dass zumindest in diesem Jahr nichts mehr gebaut werden soll – und löste damit einen Krieg der Welten aus.

Gestritten wird seither um die zentrale Frage: Wird die Macht mit dem Hohen Rat sein oder mit den zwei Akademiechefs? Sollte die Verwaltung nach der Pfeife zweier Herren tanzen oder nicht vielmehr endlich das tun, was das große Gremium beschlossen hat? Sieht so aus, als bestünde der Stadt ein heißer Sommer bevor.

Unterdessen kam Nachricht aus den unvorstellbaren Weiten des Universums: Die Aliens von Spatium mundi kämen gerne wieder. Und, ließen sie wissen: „Eine Toilette an unserem Landeplatz wäre super!“