Wenn es eine Qualität großer Teams ist, sich nie geschlagen zu geben, dann sind die MTV-Volleyballerinnen ein ganz großes Team. Auch das vierte Play-off-Finale war eigentlich schon verloren, am Ende aber siegte Stuttgart doch noch 3:2. An diesem Montag (19 Uhr) fällt die Entscheidung. In Dresden.

Stuttgart - In der Pause vor dem Tie-Break übermannten Michaela Mlejnkova die Gefühle. Die Perfektionistin hatte bis dahin ihr Potenzial nicht ausschöpfen können, ihre bandagierte Hand schmerzte, dazu kamen der Druck, gewinnen zu müssen, und die Welle der Emotionen, die von der Tribüne hinunter aufs Feld wogte. Das alles war zu viel für die Tschechin, die zwar erst 19 Jahre alt und ein großes Talent ist, aber aufgrund der Verletzungsmisere bei Allianz MTV Stuttgart schon viel Verantwortung tragen und immer durchspielen muss. Als der Tie-Break begann, rannen bei Mlejnkova Tränen die Wange hinunter, prompt ging die Annahme mehrfach daneben. Auch deshalb lag der Außenseiter im fünften Satz schon fast aussichtslos 3:7 hinten.

 

Was dann geschah, wird keiner der 5392 Zuschauer (so viele haben noch nie ein Bundesliga-Spiel der Frauen gesehen) vergessen. Unterstützt von ihren Teamkolleginnen fing sich Mlejnkova – und wie schon im zweiten Spiel, als sie drei Matchbälle abgewehrt hatten, drehten die Stuttgarterinnen eine so gut wie verlorene Partie. Der Dresdner SC holte nur noch drei Punkte, ein Ass der starken Mittelblockerin Caroline Jarmoc zum 15:10 machte den 3:2-Sieg (25:19, 19:25, 25:19, 22:25, 15:10) und den 2:2-Ausgleich in der Finalserie (Modus best of five) perfekt. Es folgte eine Jubelorgie – und die vergebliche Suche nach den Gründen für die eigene Stärke. „Unglaublich! Wenn wir hinten liegen, kommt bei uns das Monster raus“, meinte Kapitänin Kim Renkema, „ich weiß auch nicht, wo diese Charakterstärke herkommt. Ich weiß nur: Wenn man es so oft wie wir schafft, sich zurückzukämpfen, dann ist das kein Glück mehr.“

Dresdens Trainer Alexander Waibl kritisiert die Leistung seines Teams im Block

Alexander Waibl hatte eine Erklärung für den Sieg des Außenseiters: Sein Team, meinte der Trainer des Dresdner SC, habe zu schlecht geblockt. „Dadurch konnten sich die Stuttgarterinnen aus schwierigen Situationen immer wieder leicht befreien.“

In der Tat hatten die Mittelblockerin Kathleen Slay (1,98 m) und Jennifer Cross (1,95 m) nicht ins Spiel gefunden. Zudem schmerzte den Favoriten der Ausfall von Zuspielerin Laura Dijkema (Knöchelverletzung), die aber wohl im fünften Spiel an diesem Montag wieder dabei sein wird. Vertreten wurde sie von der Ex-Stuttgarterin Mareike Hindriksen, die fest vom Titelgewinn überzeugt ist: „Egal, wie die Partie läuft, den letzten Punkt machen wir!“

Dafür spricht einiges. Der Dresdner SC, individuell besser besetzt und mit dem größeren Kader ausgestattet, hat die beiden Heimspiele der Finalserie problemlos 3:0 und 3:1 gewonnen – was die Unterstützung der eigenen Zuschauer ausmachen kann, zeigte sich nun auch in der Porsche-Arena. Während ein Helfer des Dresdner SC den Pokal, den man mitgebracht hatte, um ihn auf dem Siegerfoto gemeinsam mit der Meister-Trophäe zu präsentieren, wieder aus der Halle trug, feierten die Stuttgarterinnen mit dem restlos begeisterten Publikum. „Unsere Fans haben heute schon Gold gewonnen“, sagte Kim Renkema. Und Libera Lisa Thomsen meinte: „Die Zuschauer tragen uns schon die gesamte Saison, doch heute war es etwas ganz Besonderes.“

Allianz MTV Stuttgart reist mit dem Bus, der Dresdner SC mit dem Flugzeug

Ob es auch ohne diese Unterstützung klappen kann? Zumindest sind die Stuttgarterinnen am Sonntag voll positiver Emotionen mit dem Bus nach Sachsen gereist, während die Dresdnerinnen ins Flugzeug stiegen. Was sicher kein Nachteil ist angesichts der kurzen Regenerationszeit von nur 20 Stunden. Das fünfte Duell steigt schon an diesem Montag, weil die niederländischen Nationalspielerinnen Femke Stoltenborg (MTV), Laura Dijkema und Myrthe Schoot (DSC) bereits am Dienstag bei ihrem Nationalteam sein müssen.

Müde werden im letzten Finale beide Teams sein. Entscheidend ist das nicht, meint zumindest Valerie Nichol, die in der Porsche-Arena als beste Spielerin ausgezeichnet wurde. „Das Mentale ist wichtiger als das Körperliche“, sagte die MTV-Zuspielerin, „am Ende wird die Mannschaft siegen, die es mehr will.“ Stimmt das, hat Stuttgart alle Chancen. Und dann würden Tränen nur noch aus Freude vergossen.