Bisher hat die Stadt noch keinen Investor für die alte IBM-Zentrale in Vaihingen gefunden. Es droht eine lange Hängepartie. Das liegt auch daran, dass das Areal für ein Wohngebiet nur bedingt geeignet ist.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Über den Eiermann-Campus in Vaihingen wächst allmählich im wahrsten Sinne des Wortes Gras – weit mehr als ein Meter hoch steht derzeit das Grün rund um die denkmalgeschützten Gebäude von Egon Eiermann. Seit die Insolvenzverwalter zum 1. April das Areal aufgegeben haben, lässt die Stadt dort nur noch das Allernotwendigste erledigen. Rasenmähen gehört nicht dazu.

 

Auch im übertragenen Sinne droht langsam Gras über die hochstrebenden Baupläne der Stadt zu wachsen – nichts geschieht auf dem Campus, die Stadt schlittert in eine Hängepartie hinein. Fast ein Jahr ist es her, dass OB Fritz Kuhn ein Kolloquium einberufen hatte, um eine wirtschaftliche Per-spektive für das Gelände zu entwickeln. Statt der bestehenden 63 000 Quadratmeter Geschossfläche sollen dort künftig bis zu 193 000 Quadratmeter möglich sein, also das Dreifache. So wollte man das Areal attraktiv machen für einen Investor. Gebäude mit bis zu acht Geschossen wären denkbar. Im Gegenzug ist die Sanierung der Eiermann-Häuser Pflicht.

Laut Michael Föll gibt es mehrere seriöse Interessenten

Ein Investor hat aber bisher nicht angebissen. Finanzbürgermeister Michael Föll bleibt dennoch optimistisch: „Es gibt weiter mehrere seriöse Interessenten“, sagt er. Doch die wirtschaftlichen Fragestellungen seien alles andere als banal, tatsächlich geht es um mehrere Hundert Millionen Euro an Investitionen – für die Investoren spiele da zum Beispiel eine sehr große Rolle, welche Vorgaben der Gemeinderat und der Vaihinger Bezirksbeirat noch machten.

Selbst die Stadt tritt derzeit eher auf die Bremse. Eine Änderung des Flächennutzungsplanes ist notwendig, um die neuen Baumassen zu ermöglichen. Dies wollte die Stadt vor kurzem auf den Weg bringen, doch dann wurde der Punkt sehr kurzfristig von der Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt und Technik gestrichen. Laut Föll gab es dafür zwei Gründe. Man wolle erstens die Bürgerbeteiligung mit dem neuen Gemeinderat abstimmen. Wichtiger dürfte aber gewesen sein, dass die Stadt es potenziellen Investoren nicht noch schwerer machen will, das Projekt finanziell zu stemmen. Denn mit neuem Baurecht wäre das Areal deutlicher wertvoller und teurer geworden. Letztlich hätte das nur den Gläubigerbanken genutzt, die dann mehr Geld für das Gelände hätten einstreichen können: „Wir sind aber nicht die Schutzpatrone der Gläubigerbanken“, sagt Michael Föll ganz offen. Das Interesse der Stadt sei es vielmehr, den Eiermann-Campus in die Zukunft zu führen.

Ein Hintergedanke dürfte aber auch gewesen sein: Da der Insolvenzverwalter die Gebäude nicht mehr bewirtschaftet, kommt es womöglich noch in diesem Jahr zur Zwangsversteigerung. Es ist nicht auszuschließen, dass die Stadt selbst den Campus vorerst kaufen muss.

Wohnen bei 90 Dezibel? Ohne Schutzwände geht das nicht

Warum bisher kein Investor zugegriffen hat, dürfte viele Gründe haben. Die Sanierung der vier „Eiermänner“ kann nach derzeitiger Schätzung bis zu 100 Millionen Euro kosten. Das könne zwar durch die neuen Bauten refinanziert werden, so argumentiert die Stadt seit dem Kolloquium von vor einem Jahr, doch die Investoren scheinen skeptisch zu bleiben.

Weiter ist das Areal bisher nur bedingt als Wohngebiet geeignet, wie in der zurückgezogenen Vorlage für den Umweltausschuss nachzulesen ist. Was den Lärm der nahen Autobahnen A 8 und A 831 anbetrifft, so heißt es in der Vorlage: „Dort sind tags und nachts Pegel im gesundheitsgefährdenden Bereich zu erwarten.“ In gemischten Wohn- und Gewerbegebieten, wie es für den Eiermann-Campus angestrebt wird, sind nachts 50 dB(A) erlaubt, tagsüber 60 dB(A) – gemessen wurden aber an der Autobahn tagsüber bis zu 90 dB(A). Es seien also auf jeden Fall Lärmschutzwände oder -wälle erforderlich, heißt es in einer Checkliste des Stadtplanungsamtes, die dessen Leiter Detlef Kron unterschrieben hat. Womöglich müssten die Wohnhäuser auch bis zu 100 Meter von der Autobahn weggerückt werden.

Auch die Grenzwerte für Feinstaub werden überschritten

Ein Problem sind auch die Schadstoffe. Derzeit liege der Wert für Stickstoffoxid noch bei mehr als 50 Nanogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel – erlaubt sind 40. Beim Feinstaub könnten zwar die bundesweit geltenden Grenzwerte eingehalten werden, nicht aber die strengeren Stuttgarter Grenzwerte. Gutachten zu Lärm und Emissionen sind deshalb erforderlich; ebenso verhält es sich mit dem Aspekt Tiere und Pflanzen – die Stadt geht davon aus, dass auf dem Gelände besonders oder sogar streng geschützte Arten vorkommen.

Zumindest der Wald soll nach derzeitigem Stand der Diskussionen nicht angegriffen werden. Die riesigen Parkflächen für mehr als 2000 Autos böten wohl genügend versiegelte Flächen, auf denen es sich bauen ließe, glaubt die Stadt.