Oskar Gröning ist der einzige der spät angeklagten NS-Täter, dessen Urteil rechtskräftig ist. Bis Ende des Monats will die Staatsanwaltschaft Hannover entscheiden, ob der 96-Jährige in Haft muss. In 16 weiteren Fällen prüfen Staatsanwaltschaften, ob sie Anklage gegen die greisen Täter erheben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Hannover - Das Urteil war ein Meilenstein auf dem Weg zur Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts. Doch die Frage ist, was kommt danach. Noch im Juli will die Staatsanwaltschaft Hannover über die Haftfähigkeit Oskar Grönings entscheiden. Das ärztliche Gutachten erklärt ihn „unter bestimmten pflegerischen und medizinischen Voraussetzungen“ für haftfähig, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Kathrin Söfker. In Niedersachsen gebe es Haftanstalten, die diese Anforderungen erfüllen. Die Behörde wartet nun auf die Stellungnahmen von Grönings Verteidigung.

 

Der heute 96-Jährige war im Juli 2015 vom Landgericht Lüneburg als Buchhalter von Auschwitz wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof erklärte das Urteil am 20. September 2016 für rechtskräftig – und machte damit den Weg für weitere ähnlich gelagerte Fälle der späten Anklage von NS-Mittätern frei.

Gröning wäre der erste Täter, der über sieben Jahrzehnte nach Ende des Holocaust und des NS-Regimes seine Haftstrafe antreten müsste. Reinhold Hanning, den das Landgericht Detmold 2016 in seiner Funktion als SS-Wachmann wegen der Beihilfe zum Mord in 170 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilte, war Ende Mai im Alter von 95 Jahren gestorben. Sein Urteil wurde ähnlich wie das John Demjanjuks, der 2011 verurteilt wurde und 2012 verstarb, nicht rechtskräftig. Ein weiterer NS-Prozess vor dem Landgericht Neubrandenburg ist nach der Verzögerung durch die Richter und deren Ablösung wegen Befangenheit de facto ausgesetzt.

Aber noch sind die Ermittler nicht am Ende. Aktuell sind 16 ähnlich gelagerte Fälle nach Auskunft von Jens Rommel, dem Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, bei der deutschen Justiz anhängig. Die Staatsanwaltschaften, denen es obliegt, Anklage zu erheben, arbeiteten jedoch unterschiedlich schnell. Auch in Stuttgart liegen Fälle, bei denen es um die Mittäterschaft etwa von Funkern im KZ Stutthof bei Danzig geht. Im Moment werten Rommel und seine Kollegen Personallisten des Lagers Mauthausen als neue Quellen aus. Dafür arbeiteten sie jüngst im Militärarchiv der ehemaligen Roten Armee in Moskau.