Ein Netzwerk verschiedener Institutionen will bis zum Jahr 2030 innovative Maßnahmen zur Betreuung und Versorgung von Senioren umsetzen. Unter anderem sind mehr ambulant betreute Wohngemeinschaften geplant.

Ostfildern - Ostfildern gilt – nicht zuletzt durch die Aufsiedlung des Scharnhauser Parks – als eine vergleichsweise junge Stadt. Dennoch nimmt der demografische Wandel auch in Ostfildern eine rasante Dynamik auf. Laut Prognosen wird in 13 Jahren jeder dritte Bürger in der Stadt älter als 60 Jahre sein. Besonders die Altersgruppe der 60- bis 75-Jährigen wird demnach stark wachsen, aber auch der Anteil hochbetagter Menschen steigt deutlich an. Zudem werden sich immer mehr ältere Menschen auf immer weniger Unterstützung durch die eigene Familie verlassen können – bei gleichzeitig wachsendem Mangel an Fachkräften in der Altenhilfe. Auf diese Situation will die Stadt vorbereitet sein und hat deshalb ihre Altenhilfeplanung bis ins Jahr 2030 fortgeschrieben. Entstanden ist ein Maßnahmen- und Ideenkatalog mit mehr als 190 Seiten.

 

„Integrierte Stadtentwicklungsplanung – Gutes Älterwerden in den Stadtteilen Ostfilderns“ lautet der etwas sperrige Titel des umfangreichen Werks. An der rund zweieinhalb Jahre dauernden Erarbeitung waren sämtliche Institutionen und Einrichtungen beteiligt, die in die Thematik eingebunden sind: sämtliche Fachbereiche der Stadtverwaltung, die Bürgerstiftung, die Kirchengemeinden und Ehrenamtliche aus der Bürgerschaft. Letztlich gelinge gutes Älterwerden, wenn die Senioren möglichst „selbstbestimmt, eigenständig in ihrer gewohnten Umgebung“ leben können, sagte Gabriele Beck, die Chefin der städtischen Leitstelle für Ältere, bei der Vorstellung der Planungen.

Im Jahr 2030 fehlen 284 Pflegeplätze in der Stadt

Diese gingen davon aus, dass die Lasten der Betreuung und Versorgung älterer Menschen „nicht eins zu eins von den sozialen Einrichtungen und Diensten aufgefangen werden können“, ist Beck überzeugt. Zumal ein Planungsbüro errechnet habe, dass im Jahr 2030 in Ostfildern 284 Pflegeplätze fehlten. Der künftige große Bedarf an stationären Pflegeheimplätzen könne nur dadurch reduziert werden, indem Bürger, lokale Akteure und professionelle Dienstleister gemeinsam innovative Wohn- und Versorgungskonzepte erarbeiteten, die ein gutes Älterwerden in den Stadtteilen ermöglichten.

„Von der Versorgungsgesellschaft hin zur Mitwirkungsgesellschaft“ lautet für Gabriele Beck deshalb die Maxime. Diese angestrebte Entwicklung setze voraus, dass sich die maßgeblichen Einrichtungen und Institutionen sowie ehrenamtlich engagierte Mitbürger zu einer „Caring Community“, einer sorgenden Gemeinschaft, zusammenfinden, um Unterstützungsangebote in den Stadtteilen zu erarbeiten.

Die Stadtverwaltung wolle der „Ermöglicher“ solcher sinnvoller Projekte sein, die in Eigenverantwortung entstehen, ergänzte Susanne Volpp, die Leiterin des städtischen Fachbereichs Bildung, Kultur und Familie. Aus der fachübergreifenden Arbeit sei ein komplexer Maßnahmenkatalog entstanden, so Volpp. Schnell hätten die Mitwirkenden registriert, dass es mit der Umsetzung bis 2020 „nicht klappen wird“. Deshalb sei das Planwerk auf 2030 ausgerichtet worden. „Wir haben den Vorteil, nicht bei Null zu starten“, betonte allerdings der Ostfilderner Oberbürgermeister Christof Bolay bei der Vorstellung der Planungen. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an bereits existierende Angebote wie etwa die Initiative „Selbstständig in Ostfildern auch im Alter“ (Sofia), die Senioren zu Hause betreut, oder an das Nachbarschaftshaus im Scharnhauser Park mit der ambulant betreuten Wohngemeinschaft „Lichtblick“, in der neun Menschen leben.

Wohngemeinschaften sind eine „gute Idee“

Peter Stapelberg ist der Vorsitzende des Vereins Lichtblick und Vorstandsmitglied in der Landesarbeitsgemeinschaft ambulant betreuter Wohngemeinschaften, die Menschen mit Demenz und deren Angehörige unterstützt. Die vor fünf Jahren gegründete Einrichtung Lichtblick habe sich als Erfolg erwiesen und sei inzwischen etabliert. Ob sich am Ende in allen Stadtteilen solche Wohngemeinschaften einrichten ließen und ob sie jeweils das passende Angebot für jedes Quartier seien, „wird sich zeigen“, so Stapelberg. Die Menschen wünschten sich stets, trotz ihrer Erkrankung zu Hause bleiben zu können. „Aber wenn das nicht mehr geht, ist die WG eine gute Idee.“ Für diese seien freilich unterschiedliche Ausrichtungen vorstellbar.

Bei der Altenhilfeplanungen spielten die Kirchengemeinden eine wichtige Rolle, findet Richard Genth, der 18 Jahre lang evangelischer Pfarrer in der Ostfilderner Parksiedlung war. Er halte dies gar für eine diakonische Herausforderung. Die Kirchen hätten „die Verantwortung“, sich in diesem Bereich einzubringen. Beispielsweise mit regelmäßigen Besuchsdiensten, „nicht nur zum Geburtstag“. Denn immer mehr Menschen vereinsamten im Alter.