Technik darf nicht kurzsichtig zu Sicherheits- und Kontrollzwecken eingesetzt werden, meint Günther Schwarz, Leiter der Alzheimer-Beratung der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart

 

„Grundsätzlich ist Technik in vielen Lebensbereichen hilfreich, auch für Menschen mit Demenz. Kritik ist aber angebracht, wenn beim Einsatz von Technik zu wenig auf die Bedürfnisse der Betroffenen geachtet wird. So ist es etwa nicht gut, wenn in Pflegeeinrichtungen gut erkennbare verglaste Ausgangstüren verschlossen oder durch intelligente Technik nur für die demenzkranken Bewohner blockiert werden. Auch Demenzkranken wird so signalisiert, dass sie eingeschlossen sind. Sie können nicht verstehen, warum.

Ebenso können Techniken mit Kontaktschleifen, wie man sie aus Kaufhäusern kennt, problematisch sein. Geht ein demenzkranker Bewohner mit einem Chip hindurch, wird ein Signal an die Pflegemitarbeiter ausgelöst. Sie müssen schnell beim Bewohner sein, eventuell ertönt sogar ein Alarmton. Dies kann zur Belastung für Bewohner und für die Mitarbeiter werden.

Statt nur an die Sicherheit zu denken, sollten stattdessen die Bedürfnisse demenzkranker Menschen im Vordergrund stehen – nach Freiheit, Bewegung, Beschäftigung und Vertrautheit.

Demenzkranke Menschen leben teils ein Zehntel ihres Lebens in einem Pflegeheim und können es nicht verlassen. Die Einrichtungen müssen auch als Zuhause wahrgenommen werden können und im Idealfall eine abwechslungsreiche Welt bieten: wo ich Türen öffnen und schließen kann, wo ich Raum habe, mich zu bewegen, auch mal ins Freie in einen umzäunten Garten gehen kann. Wo ich vielerlei Dinge finden, benutzen und mitnehmen kann und ich liebevoll umsorgt werde, dort kann dieses Gefühl entstehen – auch bei Demenzkranken. Der Wunsch, woanders hinzugehen, tritt dann erheblich seltener auf.

Natürlich wird Pflege immer ganz maßgeblich von Menschen erbracht werden, aber es gibt mit Sicherheit Aufgaben, die auch technisch gelöst werden können: Das regelmäßige Wiegen kann zum Beispiel das Pflegebett übernehmen und auch gleich das Gewicht in die Pflegedokumentation eintragen. Wir brauchen Möglichkeiten, menschliche Arbeit in der Pflege durch Technik zu ersetzen und dabei das Menschliche in der Pflege zu bewahren.

Technik hat in nahezu alle Bereiche des Lebens Einzug gehalten, auch sehr nah am Menschen. Ein Beispiel sind Sehprothesen. Einem blinden Menschen wird ein Mikrochip ins Auge implantiert und mit den Sehnerven verbunden. Der Mensch kann wieder sehen. Ein anderes Beispiel ist das selbst fahrende Auto, das derzeit von Google in Kalifornien erprobt wird. Der „Fahrer“ nennt das Ziel, und das Fahrzeug fährt völlig selbstständig dorthin. Das Auto hat weder Lenkrad noch Bremse, mit denen der Fahrer eingreifen kann. Es wird noch ganz anderes möglich sein, auch wenn wir es uns heute noch nicht vorstellen können.

Es ist zu überlegen, an welchen Stellen Technik in der Pflege hilfreich sein kann. Wir müssen Ansätze finden, wie Technik menschliche Arbeit ersetzen kann und dann durchaus kritisch, aber vorurteilsfrei prüfen, ob diese Technik den Pflegebedürftigen nützt. Erweist sie sich als nützlich, sollten wir sie unverzüglich realisieren. Der Pflegenotstand ist da, und die Zeit läuft gegen uns. Je eher wir uns auf den Weg machen, desto besser!“

Contra: „Menschliche Zuwendung wichtiger“

Technik darf nicht kurzsichtig zu Sicherheits- und Kontrollzwecken eingesetzt werden, meint Günther Schwarz, Leiter der Alzheimer-Beratung der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart

„Grundsätzlich ist Technik in vielen Lebensbereichen hilfreich, auch für Menschen mit Demenz. Kritik ist aber angebracht, wenn beim Einsatz von Technik zu wenig auf die Bedürfnisse der Betroffenen geachtet wird. So ist es etwa nicht gut, wenn in Pflegeeinrichtungen gut erkennbare verglaste Ausgangstüren verschlossen oder durch intelligente Technik nur für die demenzkranken Bewohner blockiert werden. Auch Demenzkranken wird so signalisiert, dass sie eingeschlossen sind. Sie können nicht verstehen, warum.

Ebenso können Techniken mit Kontaktschleifen, wie man sie aus Kaufhäusern kennt, problematisch sein. Geht ein demenzkranker Bewohner mit einem Chip hindurch, wird ein Signal an die Pflegemitarbeiter ausgelöst. Sie müssen schnell beim Bewohner sein, eventuell ertönt sogar ein Alarmton. Dies kann zur Belastung für Bewohner und für die Mitarbeiter werden.

Statt nur an die Sicherheit zu denken, sollten stattdessen die Bedürfnisse demenzkranker Menschen im Vordergrund stehen – nach Freiheit, Bewegung, Beschäftigung und Vertrautheit.

Demenzkranke Menschen leben teils ein Zehntel ihres Lebens in einem Pflegeheim und können es nicht verlassen. Die Einrichtungen müssen auch als Zuhause wahrgenommen werden können und im Idealfall eine abwechslungsreiche Welt bieten: wo ich Türen öffnen und schließen kann, wo ich Raum habe, mich zu bewegen, auch mal ins Freie in einen umzäunten Garten gehen kann. Wo ich vielerlei Dinge finden, benutzen und mitnehmen kann und ich liebevoll umsorgt werde, dort kann dieses Gefühl entstehen – auch bei Demenzkranken. Der Wunsch, woanders hinzugehen, tritt dann erheblich seltener auf.

Technik darf nicht kurzsichtig zu Sicherheits- und Kontrollzwecken eingesetzt werden. Menschliche Zuwendung und eine lebensweltorientierte Umgebungsgestaltung sind viel wichtiger. Wir dürfen nicht aufhören, Lebensqualität und die dafür notwendige Maßnahmen für Menschen mit Demenz einzufordern, denn diese können das selbst nicht mehr tun.“