Ob auf der Suche nach Veranstaltungsräumen oder nach anderen Dienstleistungs-Anbietern: Die AfD fühlt sich häufig diskriminiert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es wäre ein Auftrag von erheblicher Größenordnung gewesen. Gerne hätte der Landesverband Baden-Württemberg der Alternative für Deutschland (AfD) den Geschäftskontakt zum Internet-Telefonie-Unternehmen sipgate ausgebaut. Die Düsseldorfer Firma sollte die bereits vorhandene Telefonanlage der Landesgeschäftsstelle in Stuttgart auf die 36 AfD-Kreisverbände im Südwesten erweitern. Doch auf die Bitte um ein Angebot folgte eine unerwartete Reaktion: die gesamte Zusammenarbeit wurde zum 31. Mai gekündigt, ohne Angabe von Gründen.

 

Unstrittig scheint zu sein, dass die sipgate GmbH dazu berechtigt war. Es gehöre zur Vertragsfreiheit in Deutschland, „einen Kontrakt bei entsprechender Ausgestaltung auch einseitig und ohne Begründung aufkündigen zu dürfen“, sagt der AfD-Landesvorständler und IT-Beauftragte Sven Kortmann. „In höchstem Maße bedauerlich“ fände er es aber, „wenn dies aus politischen Gründen passiert und damit Parteien in ihrem grundgesetzlichen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, erheblich gestört werden“.

Keine Angaben zu Kundenbeziehungen

Von politischen Gründen will man bei sipgate nichts wissen. Es gebe jedenfalls keine „Blacklist“, also eine Aufstellung unerwünschter Kunden, schrieb eine Firmensprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Grundsätzlich mache man zu Kundenbeziehungen ohnehin keine Angaben. Eines fügt sie dann aber doch hinzu: „Wenn sich die AfD und deren Landesverbände für einen anderen Anbieter entscheiden, heißen wir das gut.“ Die Botschaft ist klar: man weint der Partei keine Träne nach, sondern lässt sie als Kunden gerne ziehen.

Für Bernd Grimmer, den Landessprecher der AfD und parlamentarischen Geschäftsführer der neuen Landtagsfraktion, ist das kein Einzelfall. Eine „Diskriminierung der AfD „ gibt es in der Tat massiv“, bestätigte er unserer Zeitung – „sei es aus politischer Ablehnung oder aus Angst vor Repressalien aus dem linken Spektrum, einschließlich der dort verorteten politischen Parteien“. Besonders benachteiligt sehe man sich bei der Überlassung von Veranstaltungsräumen, „von kleinen Nebenzimmern in Dörfern bis hin zu Sälen für Parteitage der Landesverbände und des Bundesverbandes“. Da müssen sich die Vermieter in der Öffentlichkeit schon mal rechtfertigen, warum sie die rechtspopulistische Partei beherbergen.

Ablehnung oder überteuerte Angebote

Aber auch die neuen Landtagsabgeordneten täten sich teilweise schwer, Räume für Bürgerbüros in den Wahlkreisen zu finden, berichtet Grimmer, selbst Parlamentarier aus Pforzheim. Ebenso erlebe man es bei Geschäftspartnern aus dem Dienstleistungsbereich, dass Angebote entweder ganz abgelehnt würden – oder aber „gnadenlos überteuert“ ausfielen. So soll der Kunde AfD offenbar abgeschreckt werden. Ob die Partei wegen ihres politischen Kurses unerwünscht ist oder negative Folgen bei einem Bekanntwerden des Geschäftskontaktes befürchtet werden, kann sie oft nur mutmaßen.

Sichtbar wird zum Beispiel die Beziehung zu Geldinstituten, etwa wenn Spendenkonten angegeben werden. Im Fall der rechtsgerichteten, aber bisher nicht verbotenen NPD gab es in früheren Jahren wiederholt Versuche von Sparkassen oder Volksbanken, sie als Kunden loszuwerden. Einige Fälle landeten vor Gericht, mit unterschiedlichem Ausgang. Insgesamt biete die Rechtsprechung wenig Handhabe, die AfD als Kunden fernzuhalten, verlautet aus dem Sparkassenlager. Nach Begeisterung klingt das nicht. Die Kreisverbände haben Konten „bei verschiedenen Banken und Sparkassen“, sagt der AfD-Landesschatzmeister Wolfram Hirt. „Eine Präferenz kann ich nicht feststellen.“

Im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben

Offensiv verteidigt die Volksbank Stuttgart, die das Konto des AfD-Landesverbandes führt, die Geschäftsbeziehung. Man heiße nicht nur so, sondern sei auch „eine Bank des Volkes“, sagt ein Sprecher. Der Kundenkreis entspreche einem Querschnitt der Bevölkerung, „auch hinsichtlich seiner Meinungs- und Religionsvielfalt“. Als Genossenschaftsbank verhalte man sich „stets meinungsneutral“ und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Konten führt die Volksbank etwa auch für die Piratenpartei Stuttgart oder den Grünen-Kreisverband Rems-Murr. Jede Form von gewaltbereiten Extremismus lehne man ab, sagt der Sprecher. Aber die drittstärkste Landtagsfraktion mit 15,1 Prozent der Stimmen sei sicher „keine extremistische Minorität“.

Der Genossenschaftsverband lässt den 200 Mitgliedsbanken im Land übrigens freie Hand, wie ein Sprecher sagt. Geschäftspolitische Entscheidungen träfen diese „komplett eigenständig“, man gebe keine Empfehlungen. Im Zuge der Vertragsfreiheit dürften die Banken selbst bestimmen, mit wem sie Geschäfte machten und mit wem nicht. Eine Ausnahme sei das „Basiskonto“ für jedermann, das nur für natürliche Personen gelte. Von kritischen Rückmeldungen berichtet weder die Volksbank Stuttgart noch der Verband.

Für das abgesprungene Telefonie-Unternehmen hat der AfD-Landesverband Ersatz gefunden. Nach kurzer Suche sei man auf einen Anbieter gestoßen, der das Kommunikationsnetz gerne aufbauen wolle, hieß es. Er sei sogar flexibler und damit besser als der bisherige. Der Name der Firma wurde nicht mitgeteilt.