Alternative Heilmethoden liegen im Trend. Viele Patienten vertrauen auf die Kraft sanfter Medizin. In unserer Serie stellen wir Heilmethoden und Therapien der Welt vor.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Als Samuel Hahnemann, der Vater der Homöopathie, 1843 starb, war Wilhelm Heinrich Schüßler noch Medizinstudent. Schon während seines Studiums interessierte sich Schüßler (1821-1898) für die Alternativmedizin des deutschen Arztes. Doch er folgte nicht dessen komplexen System mit damals schon rund 1000 homöopathischen Mitteln (heute sind es über 2000), sondern entwickelte eine „abgekürzte homöopathische Therapie“.

 

„Biochemische Heilweise“

1873 veröffentlichte Schüßler in der „Allgemeinen Homöopathischen Zeitung“ einen Artikel, in dem er seine eigene „biochemische Heilweise“ vorstellte. Statt 1000 hielt er zwölf Mineralien zur Therapie fast aller Krankheiten für ausreichend.

Die Therapie mit diesen zwölf Schüßler-Salzen basiert auf der Annahme, dass Krankheiten aufgrund gestörter biochemischer Prozesse entstehen. Da Mineralsalze die chemischen Prozesse in den Zellen steuern, zieht das Fehlen eines Minerals laut Schüßler den gesamten Stoffwechsel in Mitleidenschaft.

Anders als die Homöopathie geht Schüßlers Biochemie nicht vom Ähnlichkeitsprinzip aus. Demnach werden Mittel, die beim Gesunden bestimmte Symptome auslösen, zur Behandlung ebendieser Symptome auch bei Kranken eingesetzt. Die Mittel werden in einem aufwendigen Verfahren verdünnt und verschüttelt (das sogenannte Potenzieren). Schüßlers Heilverfahren dagegen beruht, wie er sagt, auf physiologisch-chemischen Vorgängen im Organismus.

Medizin in Potenzen

Auch die Schüßler-Salze sind potenziert – in der Regel D6 (1:1 000 000) und D12 (1:1 000 000 000 000). Calciumfluorid, Eisenphosphat, Kaliumsulfat, Natriumphosphat, Kieselsäure oder Kochsalz sollen in den Zellen Defizite ausgleichen und dem Körper einen Heilreiz vermitteln.

Zu diesen zwölf sogenannten Funktionsmitteln sind im Laufe der Zeit noch 15 Ergänzungsmittel hinzugekomme, darunter Substanzen wie Selen, Kalziumkarbonat, Mangansulfat oder Aurum.

Schüßler-Salze werden in Apotheken als Salbe oder Milchzuckertabletten angeboten, die man unter die Zunge legt, wo sie sich schnell auflösen. Während der Behandlung sollte man viel Flüssigkeit zu sich nehmen – am besten stilles Wasser.

Vermeintlichen Mangel an Mineralstoffen beheben

Ziel der Behandlung ist es, durch die Gabe von homöopathisch dosierten Salzen einen vermeintlichen Mangel an Mineralstoffen zu beheben. Schüßler-Anhänger gehen davon aus, dass Mangelerscheinungen auch auf dem Gesicht des Patienten zu erkennen sind (die sogenannte Antlitzanalyse).

Nebenwirkungen dieser „sanften“ Medizin sind nicht bekannt, die Einsatzmöglichkeiten quasi unbegrenzt. Kalziumfluorid etwa soll bei Hämorriden, Karies, Hautfalten und Schuppenflechte helfen. Kalziumphosphat ist bei Knochenbrüchen, Muskelkrämpfen und Osteoporose indiziert.

Zusammen mit der Homöopathie und der Bachblüten-Therapie gehören die Schüßler-Salze heute zur Standardmethode der Alternativheilkunde.

Fazit: Wirkung gleich null?

Die Kritiker sind sich einig: Schüßler-Salze sind wirkungslos, die Lehre ist wissenschaftlich nicht belegt. Die Stiftung Warentest kommt zum Ergebnis: „Die Biochemie nach Schüßler ist zur Behandlung von Krankheiten nicht geeignet.“ Auch die AOK erklärt: „Die Wirksamkeit ist nicht nachgewiesen.“