Die Eltern-Kind-Gruppe an der Nikolausstraße ist ein Überbleibsel aus der 68-er-Bewegung. Jetzt fühlt sie sich in ihrer Existenz bedroht.

S-Ost - Am Ende der Nikolausstraße – oberhalb des Stöckachplatzes – befindet sich mitten im Stuttgarter Osten eine kleine, grüne Oase: die Kindergruppe Nikolausstraße. Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 bietet die private und selbst organisierte Eltern-Kind-Gruppe Kindern von drei bis sechs Jahren einen Ort, der für viele Kinder zu einem zweiten Zuhause geworden ist. Mehr als hundert Kinder haben in dieser Zeit den alternativen Kindergarten besucht. Viele stehen der Einrichtung auch als Erwachsener noch nahe und bringen sich ein.

 

Das Besondere der Einrichtung, die ihre Wurzeln in der Stuttgarter Kinderladen-Bewegung der späten 60er-Jahre hat, ist die familiäre und vertrauensvolle Atmosphäre. Dafür sorgt der enge Kontakt zwischen Erzieherinnen, Eltern und Kindern. In der Kindergruppe, die als freier Verein organisiert ist, sind die Eltern in alle Bereiche voll einbezogen. Im Wechsel übernehmen sie Dienste, bei denen gekocht, geputzt oder im Garten geholfen wird. Dadurch nehmen die Eltern aktiv am Betreuungsalltag ihrer Kinder teil und gestalten diesen mit. Die 15 Kinder werden wochentags von 8 bis 16 Uhr von vier Erzieherinnen betreut.

Der Garten ist bei jedem Wetter ein Höhepunkt für die Kleinen

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Hier finden die Kinder gleich mehrere vertraute Bezugspersonen“, sagt Barbara Köhl, die seit 14 Jahren als Erzieherin in der Kindergruppe arbeitet. Durch die kleine Gruppengröße, die Mitarbeit der Eltern und den dadurch entstehenden engen sozialen Kontakt untereinander schaffe man eine vertrauensvolle und warme Atmosphäre für die Kinder.

Die vielen kleinen Räume, die in ehrenamtlicher Arbeit von Eltern gestaltet worden sind, bieten den Kindern die Möglichkeit, ihren Bedürfnissen und Interessen nachzugehen. In den themenspezifischen Freiräumen können die Buben und Mädchen gemeinsam spielen, in Fantasiewelten eintauchen oder sich auch zurückziehen. Der große, geheimnisvolle und abenteuerliche Garten ist bei jedem Wetter ein Höhepunkt für die Kleinen.

Das Gebäude diente einst als Gartenhaus für eine Villa, die im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde. Die Kindergruppe Nikolausstraße hat das Haus in den zurückliegenden 35 Jahren zu einem Ort für Kinder aufgebaut, der weit abseits des Mainstreams agiert.

Die Einrichtung steht in einer Bauverbotszone

Mit dieser Idylle könnte aber schon bald Schluss sein. Denn die Einrichtung steht den Plänen der Stöckach-Sanierung im Weg. „Die Machbarkeitsstudie des Architektenbüros sieht wundervoll aus“, sagt Barbara Köhl, die sich mit den Plänen vertraut gemacht hat. „Bloß kommen wir darin nicht mehr vor.“ Zur Erklärung: Das Büro Harris und Kurrle Architekten BDA in Arbeitsgemeinschaft mit Jetter Landschaftsarchitekten hatte den ausgelobten Planungswettbewerb für sich entschieden. Die Pläne der Machbarkeitsstudie sehen einen Abriss und die Neubebauung des Areals der benachbarten Hauswirtschaftlichen Schule vor. Das Hintergebäude der Schule an der Werastraße 138 bleibt bestehen und soll auch weiterhin schulisch genutzt werden.

Dafür ist allerdings eine Rettungs- und barrierefreie Zufahrt nötig, die nur über die Nikolausstraße her geschaffen werden kann. Diesem Vorhaben steht die Kindergruppe im Weg. Hinzu kommt, dass die Einrichtung in einer Bauverbotszone steht. Zwar hat der Bezirksbeirat Stuttgart-Ost sich für den Erhalt des Kindergartens ausgesprochen, doch eine Lösung gibt es bislang nicht.

Barbara Köhl, ihre Kolleginnen und die Eltern bangen deshalb um die Zukunft ihrer kleinen Oase. Auch die Tatsache, dass der Mietvertrag der Einrichtung noch vier weitere Jahre läuft, stimmt Barbara Köhl wenig zuversichtlich. „Das ist ein so schöner und wertvoller Ort, der sollte Kindern vorbehalten sein.“ Sie hofft, dass das Zuhause der Kinder der Nikolausstraße nicht abgerissen wird und es eine Lösung geben wird. Köhl: „Es sieht aber im Moment nicht gut aus für uns.“