Die Mehrheit der japanischen Bevölkerung befürwortet einen Atomausstieg. Eine mögliche Alternative zur Atomkraft lagert direkt vor Japans Küsten – große Mengen Methanhydrat.

Tokio - Als am 12. März 2013 auf dem Bohrschiff Chikyu Feuer aus dem Bohrkopf schoss, jubelten Forscher, Industrie- und Regierungsvertreter. Erstmals war es gelungen, aus Methanhydratschichten in den Meerestiefen Erdgas zu fördern, über 120 000 Kubikmeter in sechs Tagen – bis Sand die Bohrgeräte verstopfte. Trotzdem avancierte Methanhydrat, auch „brennendes Eis“ genannt, zur neuen Energiehoffnung des ressourcenarmen Japan. Auch international bekam der Test Beifall: „Damit ist die nächste Stufe in der Methanhydratforschung erreicht“, sagt der deutsche Methanhydratexperte Gerhard Bohrmann vom Zentrum für marine Umweltwissenschaften (Marum) in Bremen.

 

„Wie ein McShake sieht es aus“, beschreibt es der japanische Energieexperte Yuji Morita salopp. Er ist Mitglied einer Regierungskommission für Methanhydrat. Der Stoff besteht aus Wassermolekülen, die Methangas wie einen Käfig umschließen und dabei eine feste eisähnliche Substanz bilden. Der sensible Stoff kommt nur bei 20 bis 40 Bar Druck und bei vier Grad Celsius und kälter vor. 80 bis 90 Prozent davon liegen in der „Stabilitätszone“ zwischen 500 bis 2000 Meter unter der Schlammschicht des Meeresgrunds, im Polarmeer auch höher. Der Rest wird in Permafrostböden vermutet.

Das Gas könnte einen hohen Energiebedarf abdecken

Klaus Wallmann vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) in Kiel schätzt, dass weltweit etwa 1000 bis 5000 Gigatonnen an organischem Kohlenstoff in Gashydraten liegen. Andere Forscher sprechen von mehr als 500 000 Gigatonnen. Selbst konservative Schätzungen gehen weit über die Vorkommen von Kohle, Erdgas und Erdöl insgesamt hinaus. Japan könnte Schätzungen zufolge damit gar seinen Energiebedarf für 100 Jahre decken, wenn alles abgebaut werden kann.

Umweltschützer wie Hisayo Takada, die bei Greenpeace Japan für Energiekampagnen zuständig ist, sind weniger euphorisch. Sie kritisiert, dass damit nur die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängert würde. Sollten bei der Förderung große Mengen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre entweichen, das bis zu 30-mal stärker als Kohlendioxid wirkt, würde das die Ozonschicht schädigen und die Weltmeere weiter erwärmen. Dann droht das Methanhydrat abzutauen – was verheerende Folgen haben könnte: man vermutet, dass es die Kontinentalhänge stabilisiert. Manche Forscher warnen vor unterseeischen Erdrutschen und Megatsunami. Andere, darunter Wallmann, halten dies zwar für möglich, aber wenig wahrscheinlich.

Forscher sagen Gashydraten eine große Zukunft voraus

Der Energieexperte Morita sieht derzeit die größte Hürde in der Technik. Bis sie für eine kommerziell interessante Förderung, für die mindestens 100 000 Kubikmeter pro Tag nötig wären, ausgereift genug ist, werden sicher noch 10 bis 15 Jahre vergehen, schätzt er. Hinzu kommen die Kosten: Allein das Bohrschiff verschlingt mindestens 50 Millionen Yen (350 000 Euro) pro Tag, von der nötigen Infrastruktur ganz zu schweigen. Trotzdem sagt der deutsche Forscher Wallmann ein „goldenes Zeitalter“ für Gas voraus: „In 20 bis 30 Jahren wird ein großer Teil der Energie in Asien aus Gashydraten gewonnen werden.“ So sieht das auch die japanische Regierung und nahm Methanhydrat bereits in ihren aktuellen Energiemix auf.

Deutschland hat zwar keine eigenen Methanhydratvorkommen, investiert jedoch kräftig in die Grundlagenforschung dazu. Derzeit wird untersucht, ob sich Kohlendioxid verflüssigt in Methanvorkommen im Tiefseeboden einleiten lässt. Dort würde es in den tiefen Erdschichten zum stabileren CO2-Hydrat, aus dem man Methan fördern könne. So in der Tiefe gelagert, wäre das CO2 keine Gefahr mehr für die Klimaerwärmung. Bohrmann ist von der Idee begeistert: „Ein Kreislauf entsteht: Man bekommt Methan und wird CO2 los.“