Der Chefhaushälter der Union hält den Nahles-Vorstoß für unvereinbar mit einer Senkung der Steuern. Die CDU-CSU will lieber den Mittelstand entlasten. Unsere Rentenserie beleuchtet die Belastungen der Jungen.

Berlin - Die Pläne von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) zur Angleichung der Ostrenten an das Westniveau haben in der großen Koalition eine Kontroverse ausgelöst. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, sagte dieser Zeitung: „Es ist sehr fragwürdig, was Nahles macht.“ Für die zusätzlichen Rentenausgaben, die Nahles fordert, sei in der Finanzplanung keine Vorsorge getroffen worden.

 

Die Angleichung der Ostrenten kostet von 2018 bis 2020 insgesamt 7,5 Milliarden Euro. Rehberg stellte klar, dass es in der nächsten Wahlperiode nicht möglich sein werde, die Ostrenten zu erhöhen, das von der SPD verlangte neue Familiengeld einzuführen und die Einkommensteuer zu senken. Die Politik müsse sich entscheiden. Die vielen Wünsche gefährdeten die schwarze Null im Bundeshaushalt. In den nächsten Jahren sollten keine neuen Schulden gemacht werden.

Auch CDU/CSU sind dafür, die Bürger an der guten Haushaltslage teilhaben zu lassen. Die Union wolle die Mitte der Gesellschaft entlasten, sagte Rehberg. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eine Senkung der Einkommensteuer in zweistelliger Milliardenhöhe angekündigt. Das will auch die CSU.

Die Pläne zur Angleichung der Ostrenten schadeten den ostdeutschen Beschäftigten, sagte Rehberg, dessen Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Grund dafür ist, dass Nahles mit der Ostangleichung die Höherbewertung für ostdeutsche Arbeitnehmer abschaffen will. Jeder Euro, der in den neuen Ländern in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird, führt zu einem höheren Rentenanspruch als im Westen. Der Vorteil liegt bei 8,5 Prozent. Das Privileg will Nahles streichen. Die Ministerin begründet dies damit, dass „wir nicht alle Nachteile abschaffen und alle Vorteile behalten können“.

Gegen den Verzicht auf die Sonderregelung laufen die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten Sturm. Auch in der Unionsfraktion gibt es massiv Bedenken: „Sechs Millionen Beschäftigte in den neuen Ländern sind die Verlierer“, sagte Rehberg. Fraktionschef Volker Kauder hatte schon vor Monaten erklärt, die Ostrenten sollten in dieser Wahlperiode nicht mehr angeglichen werden.

Sozialministerin Nahles beruft sich auf den Koalitionsvertrag. Darin ist festgelegt, dass zum 1. Juli 2016 geprüft wird, wie weit die Angleichung vorangekommen ist. Zurzeit beträgt der Rentenwert Ost 94,1 Prozent des Westwerts. Nahles will den Gesetzentwurf Ende August ins Kabinett bringen. Doch der Zeitplan wackelt wegen der Vorbehalte in anderen Ministerien.

Neben der Angleichung der Ostrenten wollen Union und SPD bis zum Ende der Wahlperiode weitere Reformen der Altersvorsorge angehen. Wolfgang Gründinger (32), Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, warnt in unserer Rentenserie vor neuen Belastungen für Jüngere: „Wir müssen höhere Rentenbeiträge einzahlen, bekommen aber weniger Rente raus.“ Gleichzeitig müssten die Jüngeren „mehr privat vorsorgen, und das in einer Zeit von niedrigen Zinsen und stagnierenden Löhnen“. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die Mütterrente und die Rente mit 63 als „außerplanmäßige Rentenerhöhungen zugunsten einzelner privilegierter Rentnergruppen“. Bis 2030 würden dafür rund 160 Milliarden Euro aus der Rentenkasse abfließen. Das fehle im Kampf gegen Altersarmut.