Warum dürfen Schöffen nicht über 70 Jahre alt sein, fragt eine Kommission der Antidiskriminierungsstelle. Sie macht Vorschläge für eine Lockerung der Regeln.

Berlin - Die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingesetzte Kommission gegen Altersdiskriminierung fordert, Altersgrenzen im Beruf und bei Ehrenämtern abzubauen. Es sei „schlicht dumm“, etwa bei der Besetzung von Schöffen keine über 70-Jährigen zu berücksichtigen, sagte der Vorsitzende der Kommission, der ehemalige Bremer Bürgermeister, Henning Scherf (SPD), in Berlin. Auch Menschen, die jünger als 25 Jahre sind, dürfen nicht Schöffe sein. Die ehrenamtliche Tätigkeit müsse unabhängig vom Alter honoriert werden, betonte Scherf. Wegen des demografischen Wandels sei man auf ältere Ehrenamtliche angewiesen.

 

Wer über 65 ist, soll freiwillig weiterarbeiten dürfen

Die Kommission verlangt auch die Beseitigung von Hinzuverdienstgrenzen bei Frührenten, und sie fordert Arbeitgeber und Gewerkschaften auf, die tarifvertraglich vereinbarten Altersgrenzen zu überprüfen, wonach mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters automatisch auch das Arbeitsverhältnis ende. „Wer über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten will, soll dies auch können“, sagte Scherf. Viele Betriebe würden gerne die Berufs- und Lebenserfahrung älterer Mitarbeiter nutzen. Der Dortmunder Altersforscher Gerhard Naegele verwies jedoch darauf, dass 60 Prozent der Ruheständler die gesetzliche Rentengrenze erst gar nicht erreichten und früher ausschieden. Für sie müsse es mehr Weiterbildung, den Abbau von Belastungen im Job und eine „lebenszyklusorientierte“ Personalpolitik der Wirtschaft geben.

Der Wissenschaftler rügte, dass über 55-Jährige bei beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen oft ausgegrenzt würden. Wer dann früher ausscheide und Rentenabschläge hinnehmen müsse, dürfe bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres nur 400 Euro - im nächsten Jahr 450 Euro - hinzuverdienen, kritisierte Scherf. Diese Älteren seien doppelt benachteiligt.

Unsinniges Alterslimit bei Sportvereinen und Feuerwehr

Dass in Sportvereinen und bei vielen freiwilligen Feuerwehren ein Alterslimit gilt, wird von der Kommission ebenfalls kritisiert. So hatte in diesem Jahr ein 61-jähriger Hamburger vergeblich dagegen geklagt, dass er nicht mehr in der freiwilligen Feuerwehr dienen dürfe. Solche Regelungen im Ehrenamt, die sich in den Vereinssatzungen widerspiegeln, seien nicht nachvollziehbar, erklärte Sebastian Bickerich, der Sprecher der Behörde. „Mit einer Gesundheitsprüfung könnte man feststellen, ob der Feuerwehrmann noch einen aktiven Dienst machen kann.“ Noch mehr als Senioren fühlen sich jüngere Menschen aufgrund ihres Alters diskriminiert. Bei den Schülern und Studenten war dies laut einer Forsa-Umfrage bei jedem Dritten der Fall (34 Prozent), auch bei den 18- bis 29-Jährigen fühlten sich viele benachteiligt. Am geringsten fühlten sich die Rentner diskriminiert (17 Prozent). Mitarbeiter in jüngerem Alter litten oft unter dem Senioritätsprinzip in ihrem Betrieb, heißt es.

Henning Scherf nutzte den Anlass, um auf eine Ungleichbehandlung in der Pflege hinzuweisen. Es dürfe keinen Unterschied machen, ob Menschen wegen eines Unfalls oder wegen ihres Alters pflegebedürftig seien. Derzeit reichten die Pflegeleistungen nach einem Unfall am weitesten. Pflegeleistungen für alte Menschen deckten dagegen nur körperbezogene Hilfeleistungen ab, kritisierte er. Scherf forderte ein Gesamtkonzept für Pflegebedürftige, Behinderte und ältere Menschen.