Industrie und Handwerk fordern eine Anhebung der Altersgrenze für Ausnahmen von der Entlohnung. Junge Menschen, so ihre Befürchtung, könnten sonst von einer Ausbildung abgehalten werden. Über den Lohn von Spargelstechern wird noch gestritten.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Das Bundeskabinett hat den Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles für ein Mindestlohngesetz gebilligt. Der Widerstand aus Wirtschaftsverbänden, aber auch aus Teilen der CDU-Fraktion hält aber an. Bis zur vorgesehenen Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag am 4. Juli sollen nach Ansicht der Kritiker noch zahlreiche Änderungen in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Nach dem Vorschlag Nahles’ soll der Mindestlohn 8,50 Euro je Stunde betragen. Wirtschaftsverbände kritisieren, dass Jugendliche nur bis zu einem Alter von 18 Jahren von der Mindestlohnregelung ausgenommen werden sollen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert, dass für junge Menschen bis zu einem Alter von 25 Jahren kein Mindestlohn bezahlt werden muss.

 

Ähnlich sieht dies auch Dieter Hundt, der Präsident der Arbeitgeber in Baden-Württemberg und früher langjähriger Chef des Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Ein Anheben der Altersgrenze auf 25 Jahre würde seiner Meinung nach auch zahlreiche Ausnahmen in dem Gesetzentwurf überflüssig machen.

Hundt weist aber auch noch auf andere Regelungen hin, die seiner Ansicht nach problemetisch sind. So sieht der Entwurf vor, dass Mehrarbeit, die auf Arbeitszeitkonten angesammelt wird, innerhalb von zwölf Monaten entweder durch Freizeit oder Auszahlung ausgeglichen wird. Dies konterkariere aber betriebliche oder tarifliche Arbeitszeitmodelle. Diese seien aber eigens ausgehandelt worden, um die in manchen Branchen üblichen konjunkturellen Schwankungen auszugleichen. Diese Modelle erstrecken sich oft über mehrere Jahre. Kritisch sieht der Arbeitgeberpräsident auch die Haftung bei der Beschäftigung von Subunternehmern. Die Auftrag gebenden Unternehmen müssten nun den Beweis erbringen, dass auch die Subfirmen Mindestlöhne bezahlten. Es könne nicht verlangt werden, dass ein Unternehmen für seine gesamte Lieferkette „die Hand ins Feuer legt“, meint Hundt.

Handwerk befürchtet, Junge könnten Billigjob bevorzugen

Kritik kommt auch vom Handwerk in Baden-Württemberg. Der Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstages, Oskar Vogel, sagte, die Ausnahmen vom Mindestlohn bei jungen Menschen sollten von 18 auf 21 Jahre angehoben werden. Da oft erst mit 18 Jahren eine Ausbildung begonnen werde, sei eine Ausnahme vom Mindestlohn in vielen Fällen wirkungslos. Vogel befürchtet, junge Menschen könnten, falls es keine Ausnahme beim Mindestlohn gibt, statt einer Ausbildung einen Billigjob antreten. So könne etwa ein Beschäftigter mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde im Monat 1300 Euro verdienen. Ein Auszubildender im ersten Lehrjahr komme dagegen im Elektro- oder Fleischerhandwerk nur auf 600 bis 670 Euro im Monat.

Die Gewerkschaften begrüßen dagegen den Mindestlohn. Für die IG Metall in Baden-Württemberg erklärte der neue Vorsitzende Roman Zitzelsberger, es dürfe keine Altersdiskriminierung geben. Die Vorstellung, junge Menschen könnten eine Beschäftigung mit Mindestlohn einer Ausbildung vorziehen, nannte Zitzelsberger „abenteuerlich“. Gerüchte, wonach die Zeitungsausträger von der Mindestlohnregelung ausgenommen werden, wollte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) nicht bestätigen. „Wenn es stimmt, freut es uns, dass Frau Nahles die besondere Rolle der Zeitungen erkennt“, sagte eine Sprecherin. Befürchtungen des BDZV, ein Mindestlohn könne für die Verlage zusätzliche Kosten von 225 Millionen Euro verursachen, wurden von Verdi zurückgewiesen. Schon heute würden 7,79 Euro bezahlt. „Die Zahl 225 Millionen ist deshalb nicht plausibel“ sagte Andreas Fröhlich, Bereichsleiter für Tarifpolitik im Fachbereich Medien.