In Berlin wird über eine Begrenzung exzessiver Vorstandsbezüge diskutiert. Das üppige Ruhestandsgeld für Ex-VW-Chef Winterkorn hat die Debatte angeheizt. Das stört auch Aktionärsschützer.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Debatte über Millionen-Boni und üppige Altersbezüge für Manager gewinnt an Fahrt. Der Bundestag diskutierte am Freitag über einen Antrag der Grünen-Fraktion, die steuerliche Abzugsfähigkeit der für die Vorstandsvergütung anfallenden Ausgaben zu begrenzen. Für eine solche Lösung gibt es Unterstützung auch in der Bundesregierung, selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll sich fraktionsintern dafür ausgesprochen haben. Wirtschaftsexperten zweifeln allerdings an der Wirksamkeit eines derartigen Gesetzes.

 

„In Österreich wie auch in den USA ist die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit folgenlos geblieben“, sagte Regine Siepmann, Vergütungsexpertin bei der Unternehmensberatung hkp, dieser Zeitung. In den USA wurde die steuerliche Abzugsfähigkeit von Managergehältern schon 1993 auf eine Million Dollar begrenzt. Boni, die auf Grundlage eines von den Aktionären genehmigten Vergütungsplans gezahlt werden, sind von dieser Regel allerdings ausgenommen. In Österreich dürfen Managergehälter seit 2014 nur bis 500 000 Euro von Unternehmen steuerlich als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Gleichwohl stiegen die Bezüge zunächst weiter.

Zweifel am Sinn einer steuerlichen Abzugsfähigkeit

Nach Siepmanns Ansicht gibt es für die mangelnde Wirkung der Steuerregeln einen simplen Grund: „Bezogen auf die gesamten Personalkosten fallen die Vorstandsbezüge für die Unternehmen wirtschaftlich kaum ins Gewicht.“ Mit anderen Worten: Wenn bei diesem vergleichsweise kleinen Posten die steuerliche Abzugsfähigkeit eingeschränkt wird, macht das keinen großen Unterschied.

Auch der Aktionärsschützer Marc Tüngler zweifelt am Sinn einer solchen Regelung. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) hofft aber, dass der öffentliche Druck bei den Unternehmen ein Umdenken bewirkt: „Bei einer Gesamtvergütung ab zehn Millionen Euro sehen wir den sozialen Frieden ernsthaft gefährdet.“ Vor allem, wenn noch eine Altersversorgung obendrauf kommt: „Man muss ernsthaft die Frage stellen, ob Vorständen nicht zuzumuten ist, für ihr Alter selbst vorzusorgen.“ Die Realität sind üppige Pensionszusagen: Laut einer DSW-Studie vom vergangenen Jahr können die Vorstandschefs der 30 Dax-Konzerne im Ruhestand mit durchschnittlich mehr als 700 000 Euro pro Jahr rechnen.

Experte spricht von Etikettenschwindel

Der Unternehmensberater Heinz Evers spricht von Etikettenschwindel. „Jemand wie Daimler-Chef Zetsche kann seine Millionen-Bezüge im Ruhestand doch gar nicht mehr ausgeben. Das ist Vermögensmehrung für die Erben und hat mit Altersvorsorge nichts mehr zu tun“, sagt der ehemalige Kienbaum-Manager, der 2015 für die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung eine viel beachtete Studie über Vorstandsrenten verfasst hat. Jenseits von Gerechtigkeitsfragen gehe es auch um erhebliche Kosten für die Unternehmen, sagt Evers: Für Zetsches Altersvorsorge hat Daimler laut dem jüngsten Geschäftsbericht 43,5 Millionen Euro zurückgelegt. „Damit dürfte sein Tagessatz im Ruhestand noch deutlich höher sein als die 3000 Euro Betriebsrente pro Tag für Ex-VW-Chef Martin Winterkorn“, sagt Evers.

Auf die steigenden Rückstellungen haben viele Konzerne insofern reagiert, als sie ihre betriebliche Altersvorsorge umgestellt haben: „Vorständen eine Altersversorgung in Höhe von 70 bis 80 Prozent der letzten Festbezüge zu garantieren, ist heute nicht mehr üblich. Viele Unternehmen sagen nur noch die Einzahlung von Beiträgen zur Altersvorsorge zu, übernehmen aber keine Garantie mehr für die Höhe der endgültigen Leistungen. Sie sind damit aus dem Risiko rausgegangen“, erläutert hkp-Expertin Siepmann. Die von der DSW und Evers favorisierte Lösung, den Vorständen ihre Altersvorsorge selbst zu überlassen, haben bislang aber nur wenige Unternehmen gewählt.

Jürgen Großmann hatte auf die Betriebsrente verzichtet

Prominentestes Beispiel ist der Energiekonzern RWE. Dessen früherer Vorstandschef Jürgen Großmann verzichtete im Jahr 2007 auf eine Betriebsrente, bekam dafür allerdings auch zwei Millionen Euro mehr Gehalt. Bei seinem Nachfolger Peter Terium betrug der für die eigenverantwortliche Altersvorsorge vorgesehene Gehaltszuschlag 480 000 Euro. Auch der Nivea-Hersteller Beiersdorf zahlt seinem Vorstandschef Stefan Heidenreich keine klassische Betriebsrente. Stattdessen erhält er eine sogenannte Unternehmenswertbeteiligung, die Höhe seiner Altersbezüge hängt also vom Erfolg seiner Arbeit ab.

Eine solche leistungsbezogene Ruhestandsregelung sollten auch andere Unternehmen einführen, wenn sie denn eine Altersvorsorge anbieten wollen, meint Evers: „Der Aufsichtsrat könnte beschließen, die bisherigen Rückstellungen in Aktien umzuwandeln und diese den Vorständen dann nach Eintritt in den Ruhestand ratierlich – wie eine Monatsrente – auszuzahlen.“ Das wäre ein Anreiz für die Manager, ihr Unternehmen auf einen langfristigen Erfolg auszurichten, argumentiert der Berater: „Stellen Sie sich ein solches Modell für den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor – so wie der Aktienkurs gesunken ist, hätten sich dessen Bezüge kräftig reduziert.“Derzeit sieht Evers allerdings wenig Bereitschaft für derartige Reformen.