Die Zukunft von Neckarwestheim I entscheidet sich an den Auflagen für die Sicherheit. Das kostet eventuell mehrere Millionen Euro.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Neckarwestheim - Der Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Neckarwestheim I steht offenbar auf der Kippe. Die EnBW als Betreiber macht ihre Entscheidung davon abhängig, wie viel sie für eine sicherheitstechnische Nachrüstung des Altmeilers investieren muss. Nachdem der Reaktor bereits die verlängerte Laufzeit nutzt, dringt die Atomaufsicht nun auf die mit der Änderung des Atomgesetzes geforderten höheren Sicherheitsreserven. Ein entsprechendes Konzept wird derzeit von dem Energiekonzern erarbeitet.

Nach Einschätzung des Umweltministeriums dürften die Maßnahmen einen dreistelligen Millionenbetrag erfordern. Im Licht des Investitionsbedarfs will der EnBW-Chef Hans-Peter Villis über die Zukunft des Kernkraftwerks entscheiden. Dabei schließt er eine Stilllegung nicht aus. "Wenn Neckarwestheim die sicherheitstechnischen Auflagen nicht erfüllt, haben wir einfach nicht mehr die Lizenz, Strom zu erzeugen", sagte Villis vorige Woche bei der Bilanzpressekonferenz.

Nach dem Ausstiegsgesetz hätte der Reaktor bereits 2009 abgeschaltet werden müssen. Die EnBW reduzierte den Betrieb jedoch, um möglichst lange mit der Reststrommenge auszukommen. Inzwischen profitiert der Meiler als einer der ersten von der Verlängerung um mindestens acht Jahre, die die schwarz-gelbe Koalition im Bund durchgesetzt hatte. Seit Januar nutze er die zusätzlich gewährte Reststrommenge, hatte das Bundesumweltministerium der Grünen-Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl berichtet.

Warum wurde der Reaktor nicht schon früher nachgerüstet?


Nach der umstrittenen Laufzeitverlängerung wird nun um die Nachrüstung der alten Reaktoren gerungen. Diese ist Gegenstand eines Bund-Länder-Treffens, das an diesem Mittwoch in Berlin stattfindet. Dabei gehe es insbesondere um den Zeitplan für die Modernisierung, hieß es aus Stuttgart. Die Landesumweltministerin Tanja Gönner (CDU) pocht derweil auf die "Sorgepflicht des Betreibers", eine möglichst hohe Sicherheit zu gewähren. Man habe die EnBW aufgefordert, dies für Neckarwestheim I zu konkretisieren, teilte sie dem Grünen-Landtagsabgeordneten Franz Untersteller mit.

Zündstoff liefert inzwischen die Frage, warum der Reaktor nicht schon früher nachgerüstet wurde. Bereits 2007 hatte die EnBW der Atomaufsicht eine umfassende sicherheitstechnische Optimierung angeboten. Für die Verbesserung der Elektro-, Leit- und Systemtechnik - dazu gehörte etwa der Bau eines großen Notstromgebäudes - beantragte sie sogar den sofortigen Vollzug. Hintergrund war damals ihr Wunsch, Strommengen von dem jüngeren Block zwei auf Block eins zu übertragen. Nachdem dies vom Bund abgelehnt wurde, verlor der Konzern das Interesse. Der Antrag sei "von Betreiberseite nicht mit dem ursprünglichen Nachdruck weiterbetrieben" worden, berichtet Gönner jetzt; bis heute sei er "nicht entscheidungsreif", da noch Unterlagen fehlten.

Auf die Frage Unterstellers, warum die Atomaufsicht die von der EnBW selbst vorgeschlagenen Maßnahmen seit drei Jahren nicht durchgesetzt habe, verwies die Ministerin auf fehlende rechtliche Möglichkeiten: Es gebe weder eine Verpflichtung des Betreibers, die Nachrüstung vorzunehmen, noch eine Handhabe des Landes, sie "entschädigungsfrei" anzuordnen. Nach der Änderung des Atomgesetzes werde man nun "darauf dringen (...), dass die Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden".