Einem 23 Jahre alten Footballer aus Aalen ist etwas Historisches gelungen – und das ist dem jungen Mann fast schon ein wenig peinlich.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart/Chicago - Er lachte ganz verlegen und sank in seinen Sessel. Man hätte glauben können, es sei ihm etwas peinlich, dass gerade sein Name verlesen worden war und dass daraufhin ausgemachte Football-Experten freudig in die Hände klatschten und einen Daumen in die Höhe reckten. Moritz Böhringerwusste nicht so recht, wie er reagieren sollte, jetzt in dem Augenblick als sein größter sportlicher Traum in Erfüllung gegangen war. Der Aalener lächelte also etwas verlegen, er ließ es geduldig über sich ergehen, dass ihm so manche Pranke freundschaftlich auf die Schulter klatschte. „Ich kann im Moment gar nicht sagen, wie ich mich fühle“, meinte der 23-Jährige ergriffen, „ich bin einfach so glücklich, dass ich dabei bin.“

 

Kurz zuvor war der Passfänger der Schwäbisch Hall Unicorns in der sechsten Runde der NFL-Drafts als 180. Spieler von den Minnesota Vikings aus dem Pool der Talente ausgewählt worden. Es war ein Pick von historische Bedeutung: Erstmals in der Geschichte der berühmtesten Football-Liga der Welt war ein Spieler direkt aus Europa in die National Football League aufgenommen worden; Moritz Böhringer spielte nie in der High School oder im College, wo die Talentspäher in Übersee für gewöhnlich nach potenziellen Stars Ausschau halten. Moritz Böhringer hat erst vor fünf Jahren mit dieser Sportart begonnen und spielte lediglich eine Saison in der höchsten deutschen Spielklasse, der German Football League. „Ich freue mich riesig für ihn“, sagt Siegfried Gehrke, Headcoach der Unicorns, „irgendwie war ja damit zu rechnen, dass er von einem Team geholt wird.“

Böhringer ist der erste Deutscher in der NFL auf einer Skill-Position

Denn den zurückhaltenden Kerl von der Schwäbischen Alb machten die Medien in den vergangenen Wochen zu einem kleinen Star, den jeder Football-Fans zwischen Ost- und Westküste kannte. Mister Moritz Boehringer war in unzähligen Shows und NFL-Runden zu Gast, sein bisheriger Coach Gehrke erzählt mit einem unüberhörbaren ironischen Unterton in der Stimme, dass „Moritz in den acht Wochen, in denen er als NFL-Anwärter durch die USA tingelte, mehr reden musste, als in den letzten fünf Jahren“.

Mit diesem Pick ist noch keine schillernde NFL-Karriere garantiert, er war lediglich die Eintrittskarte in eine Welt, in der Sportler mit Ruhm, Ehre und Dollars überhäuft werden, und der Maschinenbau-Student spielt auf einer Position, die Star-Potenzial besitzt. Böhringer ist Wide Receiver, er muss Pässe fangen und den Ball an den Verteidigern vorbei in die Endzone tragen – die Namen der einstigen Passfänger Michael Irvin, Jerry Rice und Hines Ward werden von Fans mit der allergrößten Ehrfurcht in den Mund genommen. Bislang spielten fünf Deutsche in der NFL, keiner hatte eine derart exponierten Aufgabe auf einer sogenannten Skill-Position.

Doch bevor Böhringer tatsächlich in den 53-er Kader der Vikings ausgenommen wird, muss er die Coaches in den Trainingslagern überzeugen. Von den zehn bis zwölf Receivern, die ein Team zu diesem Zeitpunkt für gewöhnlich im Kader hat, bleiben bis zum Saisonstart sechs übrig. „Für die späten Picks gibt’s keine Garantie, dass sie im Team bleiben. Ich traue Moritz aber zu, dass er es schafft“, sagt Unicorns-Coach Gehrke, „er hat das nötige Talent und die richtige Einstellung.“ Sollte Moritz Böhringer irgendwann im August von den Vikings einen Vertrag zur Unterschrift vorgelegt bekommen, dann hat er endgültig Football-Geschichte in Deutschland geschrieben – und wahrscheinlich wird es ihm fast ein wenig peinlich sein, dass sein Name dann zwischen Flensburg und Oberstdorf von den Football-Fans bewundernd und ehrfürchtig genannt wird.