Manchmal muss sich Jakob Johnson kneifen, um zu begreifen, dass alles wahr ist. Der ehemalige Jugendspieler der Stuttgart Scorpions ist sogenannter Freshman im Trikot der Universität von Tennessee. Im Interview berichtet er von Zielen und Träumen.

Degerloch - Seit einem knappen Jahr ist Jakob Johnson ein „Volunteer“. Der 20-jährige Filderstädter hat als sogenannter Freshman seine erste Saison im Trikot der Universität von Tennessee im amerikanischen College-Football absolviert und dabei durchaus überzeugt. Über das Sportlerleben an der traditionsreichen Hochschule, über sportliche Ziele und über den Traum von einem Vertrag als Profi spricht der ehemalige Jugendspieler der Stuttgart Scorpions in unserem Interview.

 
Herr Johnson, wie fällt das Fazit der ersten Saison in Tennessee und in der Collegeliga NCAA aus?
Ich muss mich immer noch manchmal kneifen, um zu realisieren, dass ich jetzt wirklich Teil des Ganzen bin und nicht träume. Wir haben als junge Mannschaft eine sehr gute Saison gespielt, und ich habe als Neuling deutlich mehr Spielzeit erhalten, als ich mir vorgestellt hatte. Ich bin rundum glücklich und komme häufig noch immer nicht aus dem Staunen heraus.
Staunen worüber?
Über den Stellenwert, den unsere Sportart an der Universität und in den USA hat. Noch vor zwei Jahren habe ich mit der Scorpions-Jugend in der Nachwuchs-Bundesliga vor 100 Zuschauern gespielt. In dieser Saison war jedes Heimspiel meiner Uni mit 102 000 Zuschauern ausverkauft, die Spiele werden national in den USA im Fernsehen übertragen, und ich werde in Knoxville auf der Straße erkannt und muss Autogramme schreiben wie ein Popstar. Das ist schon ein Wahnsinn.
Wirkt sich diese Euphorie auch auf die tägliche Arbeit aus?
Natürlich. Wir sind zwar Studenten und erhalten keinen Cent Bezahlung, aber unser Aufwand während der Saison ist nicht viel geringer als bei den Profis. Das sind schon 30 bis 40 Stunden in der Woche, die wir neben den Verpflichtungen im Hörsaal für den Sport aufbringen müssen: Gegner per Video studieren, ganze Tage im Fitnessstudio, die normalen Trainingseinheiten, die Besprechungen und das Studium des Gameplans und natürlich die ganzen Reisen. Wir fliegen kreuz und quer durch die USA.
Ihr Ziel ist es, eines Tages in der NFL, der Profiliga, zu spielen.
Natürlich ist so etwas im Hinterkopf, besonders wenn man in der SEC, der besten Conference des Landes und bei einer Uni wie Tennessee spielt, aus der auch Peyton Manning, wahrscheinlich einer der besten Footballer aller Zeiten kommt. Bei mir ist es aber im Gegensatz zu vielen Einheimischen so, dass ich auch mein Studium sehr ernst nehme. Ich habe nicht ohne Grund in Deutschland Abitur gemacht. Der Profitraum kann sehr schnell platzen, und dann braucht man Alternativen.
Was waren die wichtigsten sportlichen Erkenntnisse für Sie?
Dass hier alles mit einer größeren Geschwindigkeit, einer größeren Intensität und viel mehr Akribie abläuft als in Deutschland, selbst als in der Männer-Bundesliga. Ich habe den American Football quasi ganz neu gelernt. Jetzt habe ich mich an alle Abläufe und an das Umfeld gewöhnt und kann in meiner zweiten Saison richtig angreifen. Das Ziel unserer Mannschaft ist es, noch mehr Spiele als vergangene Saison zu gewinnen und eventuell schon in der nächsten Saison in die Play-Offs der besten vier Teams in der Division I auf College-Ebene einzuziehen.
Wie werden Sie die nächsten Monate bis zum Saisonstart Ende August verbringen?
Ich werde nicht nach Hause fliegen, auch wenn ich zum Teil etwas Heimweh hatte und meine Familie in Stuttgart vermisst habe. Zum Glück hat mich mein Vater besucht und auch zwei Jugendtrainer der Scorpions waren zu Besuch in Knoxville bei einem Heimspiel. Ich werde mich von der Schulteroperation erholen, die ich nach dem Saisonende hatte, und viel im Kraftraum arbeiten. Dann kommt die Frühlingssaison, und im Juli wird es schon wieder ernst mit der Vorbereitung. Und für die Uni gibt es auch einiges zu tun, langweilig wird mir nicht.