Eine sechsjährige US-Amerikanerin wünscht sich, Prinzessin zu sein. Ihr Vater denkt sich, warum nicht – und schenkt seiner Tochter ein Königreich in Afrika. Jetzt heißt die Kleine Prinzessin Emily und das Land ihres Vaters Königreich Nordsudan.

Bir Tawil/Afrika - Wer könnte es Jeremiah Heaton übel nehmen? Der 38-jährige US-Unternehmer sitzt eines Winterabends in seinem Haus in Abington im Bundesstaat Virginia und spielt mit seiner Tochter Emily, einer glühenden Verehrerin von Prinzessin Sofia aus dem Disney Channel. Durchaus ernst fragt ihn die süße Sechsjährige plötzlich, ob sie denn auch mal Prinzessin werden könne? Und Papa antwortet: „Aber klar, warum denn nicht?“   Schließlich wäre Herr Heaton kein guter Amerikaner, wollte er seinen Kindern nicht vermitteln, dass sie alles werden können, wenn sie nur wollen – und am Willen fehlte es Emily mit Sicherheit nicht.

 

Also machte sich der pflichtbewusste Vater auf die Suche nach einem Königreich und entdeckte über das Internet Bir Tawil, einen gut 2000 Quadratkilometer großen Landstrich zwischen Ägypten und Sudan, den keiner der beiden Länder für sich beansprucht: „Terra Nullius“, wie es im Fachjargon heißt.   Ägypten und Sudan beanspruchen beide das wesentlich größere Hala’ib-Dreieck für sich, während sich um das benachbarte kleinere Viereck Bir Tawil keiner schert. Es handelt sich schließlich auch nur um ein Stück unbewohnter Wüste.

14 Stunden Flug und vier Tage mit der Karawane

Für Papa Heaton was das die große Chance. Beim Abendessen entwarf der königliche Hof – der auch noch aus zwei Prinzen und einer Königin besteht – auf einer Speisekarte eine Fahne und taufte seinen künftigen Besitz auf den Namen Königreich Nordsudan – in Anlehnung an die Republik Südsudan, die sich vor drei Jahren vom Sudan abgespaltet hatte.

König Heaton erklärte sich bereit, mit dem Flugzeug über München und Kairo zum Zweck der Inbesitznahme in die menschenleere Monarchie zu reisen. Die letzten 14 Stunden der viertägigen Reise musste er in einer Karawane zurücklegen. Am 16. Juni, dem Geburtstag der Prinzessin, hisste der Herrscher bei einer Hitze von mehr als 43 Grad die Flagge über dem Wüstenboden. „Ich habe genau das gleiche gemacht, was unzählige andere vor mir getan haben“, sagt Heaton. „Ich habe eine Fahne in den Boden gesteckt und das Terrain für mich beansprucht.“  

Expandieren? Nein

Anders als seine Vorgänger verfolgt der Eigentümer einer Sicherheitsfirma für Minen-Unternehmen jedoch keinerlei expansionistische Absichten. Seine Tochter wolle das Königreich in einen großen Garten, ein landwirtschaftliches Zentrum zur Ernährung der gesamten Region verwandeln, gab Heaton bekannt. Denn ihrer kleinen Hoheit sei sehr an der Ausmerzung des Hungers in der Welt gelegen. Er selbst wolle einen Server-Park in dem Königreich etablieren, um die Freiheit des Informationsaustauschs vom Zugriff regelungssüchtiger Regierungen zu schützen. Aber natürlich lebt die königliche Familie nicht hier.

Was bisher noch fehlt, ist die Anerkennung des jüngsten Staats der Welt durch die ägyptische und sudanesische Regierung. Er sei zuversichtlich, so der Monarch, denn bei seiner Reise nach Bir Tawil habe sich niemand negativ geäußert. Im Gegenteil: sein Beduinen-Führer habe von einer „sauberen Idee“ gesprochen.

Der Herrscher will die Anerkennung des Staates

Allerdings wird im Internet bereits Kritik laut. „Woher nehmen sich Weiße selbst im 21. Jahrhundert noch das Recht zu solchen Aktionen?“, fragt eine Bloggerin. Und eine Mutter regt sich über die „maßlose Verwöhnung“ eines jungen Mädchens auf. Der Herrscher Jeremiah Heaton hält solche Einwände für fehl am Platz. In seinem Königreich lernten die Kinder das Konzept, anderen zu dienen. Ausgerechnet, wenn er von seiner Tochter Kooperation wie Geschirrspülen oder Tischdecken erwarte, rede er sie mit Prinzessin Emily an, und nie sei sich Ihre Durchlaucht zu gut dafür. „Das ist das eigentliche Geschenk, das ich ihr gemacht habe.“