Amnesty International hat sich in 50 Jahren zum globalen Anwalt für Eingekerkerte, Unterdrückte und Menschenrechte entwickelt.

Korrospondenten: Jan Dirk Herbermann (jdh)

London - Die Verbrennung des lebenden Menschen ereignete sich am 27. Februar 2011 in der Elfenbeinküste. "Die Milzen schlugen einen jungen Mann zusammen. Sie sagten, er sei nicht aus der Gegend und beschuldigten ihn, ein Rebell zu sein. Sie stülpten Reifen um seinen Nacken, er lebte noch als sie die Reifen in Brand steckten." So schildert ein Augenzeuge gegenüber einer Delegation von Amnesty International, was er sah. Vermutlich waren Anhänger des ehemaligen ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo die Täter.

 

Der Mord während des Bürgerkriegs in dem afrikanischen Land ist nur eines von vielen politisch motivierten Verbrechen, die Amnesty in Atem halten. Seit nunmehr einem halben Jahrhundert kämpft die in London ansässige Vereinigung für die strikte Achtung von Menschenrechten. Salil Shetty, der Generalsekretär von Amnesty, ist sich sicher: "In den 50 Jahren seit der Geburt von Amnesty International hat sich der Ruf nach Gerechtigkeit, Freiheit und Würde zu einen globalen Anspruch entwickelt." Tatsächlich: Amnesty feiert sein Jubiläum, während in Teilen der arabischen Welt die Despoten stürzen.

Die Amnesty-Geschichte beginnt am 28. Mai 1961. In der englischen Sonntagszeitung "The Observer" erscheint ein Appell des Anwalts Peter Benenson: Der Brite fordert die Leser auf, mit Briefen Druck auf autoritäre Regime auszuüben. Das Ziel: Die Gefängnistüren sollen sich für politische Häftlinge öffnen.

Amnesty ist als globaler Akteur für Menschenrechte fest etabliert

Seit dem Erscheinen des Appells konnten etliche Menschen die Kerker verlassen - dank der Fürsprache von Amnesty. So etwa die libanesische Studentin Antoinette Chahin. Ihr drohte die Todesstrafe. Sie versicherte den Amnesty-Aktivisten nach ihrer Freilassung im Jahr 1999: "Ihr seid das Licht im Dunkel meiner Todeszelle gewesen, die Hoffnung, die mich hat überleben lassen."

Inzwischen ist Amnesty als globaler Akteur fest etabliert: Keine andere private Menschenrechtsvereinigung kann so viele Mitglieder und Unterstützer mobilisieren: Rund 3,2 Millionen Menschen engagieren sich in mehr als 150 Ländern für Amnesty. Keine andere private Menschenrechtsvereinigung kann auf eine stärkere politische Durchschlagskraft bauen.

Rund zehn Jahre nach der Gründung startete Amnesty die erste weltweite politische Kampagne: Folter sollte verboten werden. Im Herbst 1973 stimmte die Uno-Vollversammlung einer entsprechenden Resolution zu. Seitdem haben die Amnesty-Fachleute mit konkreten Vorschlägen zum Zustandekommen vieler großer Menschenrechtsabkommen beigetragen.

Amnesty bringt Untaten von Folterknechten ans Licht

Und Amnesty bringt Untaten von Folterknechten ans Licht. So listet die Organisation in ihrem Report 2010 Hunderte Fälle von Verschleppungen in Syrien auf, sie schreibt von bestialischen Massenvergewaltigungen im Kongo, sie berichtet vom erzwungenen Verzehr von Exkrementen im Iran und erinnert an die erbarmungslose Zwangsarbeit in Nordkorea.

Wie ernst skrupellose Regime die Amnesty-Kampagnen nehmen, machte eine Aktion des südafrikanischen Geheimdienstes deutlich: Agenten des weißen Apartheidstaates versuchten, in die Amnesty-Zentrale in London einzubrechen.

Die Schlapphüte hofften, die Namen von Amnesty-Informanten zu finden. Nicht ohne Stolz berichten Amnesty-Verantwortliche in ihren Geburtstagspublikationen auch: Gerichte in bestimmten demokratischen Ländern bitten ihre Organisation um Gutachten zu Menschenrechtssituation in Ländern mit zweifelhaftem Ruf. Die Berichte sollen helfen, über Asylanträge entscheiden zu können. "Es kam auch schon vor, dass Gerichte explizit gesagt haben, dass die Auskunft von Amnesty fundierter und glaubwürdiger war als die des Auswärtigen Amtes", sagt der Vizegeneralsekretär von Amnesty Deutschland, Wolfgang Grenz.

Die Glaubwürdigkeit ist das größte Kapital der Organisation

Die Glaubwürdigkeit, da sind sich viele Mitglieder der großen Amnesty-Gemeinschaft einig, ist das größte Kapital der Organisation. Als Schub für das Vertrauen erwies sich die Verleihung des Friedensnobelpreises 1977. "Plötzlich waren wir international als eine glaubwürdige Bewegung anerkannt", erinnert sich der damalige Vorsitzende des Amnesty-Vorstandes, Thomas Hammarberg.

Einen Schlag gegen ihre Glaubwürdigkeit fügte sich Amnesty danach selber zu. Man verbreitete Berichte, laut denen irakische Soldaten nach der Invasion Kuwaits 1990 Inkubatoren für Babys abgeschaltet hatten. Es war eine Falschmeldung. Es dauerte einige Zeit bis sich Amnesty von der "Brutkastenlüge" erholte.

Für Irritationen sorgte Amnesty auch mit der üppigen Zahlung von 533.000 britischen Pfund an die Generalsekretärin Irene Khan in ihrem letzten Amtsjahr 2009. Zwar waren die Zahlungen legal. Sie passten aber nicht in das Bild einer Menschenrechtsorganisation, die mit den Beiträgen ihrer Millionen Mitglieder sorgsam umgehen sollte.

Doch die Unstimmigkeiten können in diesen Tagen das Jubiläum nicht trüben. Die Amnesty-Aktivisten schauen lieber zurück auf ihre Erfolge - und auf das Vermächtnis ihres Gründers Peter Benenson. Der sagte: "Wenn eine einzelne Person protestiert, bewirkt das nur wenig. Aber wenn es viele Leute gleichzeitig tun würden, könnte es einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen."

Menschenrechtspreis für Mexikaner

Festakt: Mit einem Fest für die Menschenrechte und der Verleihung des Menschenrechtspreises in Berlin feiert die Organisation Amnesty International am Freitag ihren 50. Jahrestag.

Ehrung: Der zum sechsten Mal von der deutschen Sektion vergebene Preis geht in diesem Jahr an den Mexikaner Abel Barrera Hernández und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum Tlachinollan.

Tatort Mexiko: Abel Barrera hat es geschafft, Mexiko mehrmals auf die internationale Anklagebank zu bringen. Immer ging es dabei um schwere Menschenrechtsverletzungen durch Armee oder Polizei – und um untätige Justiz- behörden.

Staatsoberhaupt: Zur Preisverleihung im Haus der Kulturen der Welt wird auch Bundespräsident Christian Wulff erwartet. StZ