Im Prozess gegen den Vater von Tim K. wurde am Montag der Richter Reiner Skujat vernommen. Er berichtete, dass sich Tim vor der Tat nicht nur an die Eltern gewandt, sondern auch Psychologen von seinem Wunsch zu töten erzählt hatte.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Ob er sich erinnern könne, dass der Zeuge eine Mütze aufgehabt habe, wird Richter Reiner Skujat gefragt. Der Jurist sagt im zweiten Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden aus, den ersten hatte Skujat selbst geleitet. Die Kammer hatte Jörg K. wegen 15-facher fahrlässiger Tötung, 14-facher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

 

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf, bescheinigte der Kammer aber äußerst gründliche Arbeit. Im Grunde hätte weniger ausgereicht, um den Vater zu verurteilen, so der Tenor. Schon die offen zugängliche Waffe im Haushalt der Familie K. und die Kenntnis vom desolaten psychischen Zustand des Sohnes hätten eine Verurteilung gerechtfertigt. Deshalb entsteht der Eindruck, dass die Verteidiger von Jörg K. in diesem zweiten Prozess auf verlorenem Posten spielen – aber mit vollem Einsatz.

Richter in die Mange genommen

Am Montag hatten die beiden Rechtsanwälte Gelegenheit, den ihnen wohl vertrauten Richter Skujat in die Mangel zu nehmen und die Frage nach der Mütze eines Zeugen, der vor mehr als zwei Jahren im ersten Prozess ausgesagt hatte, zielte offenkundig darauf ab zu zeigen, dass dessen Erinnerung lückenhaft sei. Doch das Mützen-Manöver perlte an Skujat ab: Es sei unüblich, dass Leute bei Gericht ihre Kopfbedeckung aufbehielten, falls doch, würde er sie ermahnen. Skujat berichtete über den Ex-Freund von Tims Schwester, der sich offenbar in einem Loyalitätskonflikt befunden und nur „unwillig“ Auskunft darüber gegeben habe, was er über Tims zerrütteten Seelenzustand wusste. Ferner ging es um einen ehemaligen Schulfreund, den der Täter seit der Grundschule kannte und mit dem er das Online-Actionspiel „Counter-Strike“ gespielt hatte. Tims „Lieblingswaffe“ im Spiel soll eine Beretta gewesen sein, jenes Pistolenfabrikat, das er am 11. März 2009 benutzte, um 15 andere Menschen zu töten. Skujat schilderte den Schulkameraden als „schüchtern“ und „einfach strukturiert“. Bei der Polizei habe der damals 18-Jährige behauptet, dass man ihm im Hause K. den Waffentresor gezeigt habe. Doch seine Auskünfte vor Gericht seien „nebulös“ gewesen, so Skujat. Ungeklärt blieb, ob Tim den Tresor öffnen konnte.

Ausführlich wurde nochmals das Verhalten der Notfallbetreuerin erörtert, von der die Familie K. noch Monate nach dem Amoklauf betreut worden war. Die Frau hatte der Verteidigung den Grund zur Revision geliefert. Die Seelsorgerin habe zunächst freimütig von Gesprächen in der Familie berichtet, so Skujat. Daraus sei klar hervorgegangen, dass sich Tim an die Eltern gewandt hatte, weil er glaubte, an einer bipolaren Störung zu leiden, und dass er den Psychologen in Weinsberg von seinem Hass auf die Welt und seinem Wunsch zu töten erzählt hatte. Erst nach Presseberichten sei der Zeugin klar geworden, dass sie damit die Familie schwer belastet habe. Dass sie später keine Auskunft mehr gab, und somit die Verteidiger von ihrem Recht, sie zu befragen, keinen Gebrauch machen konnten, lieferte den Revisionsgrund. Neue Erkenntnisse hat dieser Prozess bislang nicht zu Tage gefördert, und viel Gelegenheit besteht dazu nicht mehr: Vielleicht wird noch in dieser Woche plädiert.