Der Vater des Amokschützen Tim K. hat sich zu Beginn des zweiten Prozesses am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart in Schweigen gehüllt.

Stuttgart - Er kommt in letzter Minute in den Gerichtssaal. Auch diesmal mit Geleitschutz. Polizisten und Sondereinsatzkräfte sorgen dafür, dass der Vater des Amokläufers von Winnenden sicher im Stuttgarter Landgericht ankommt. In dunkelgrauem Anzug und mit Bart sitzt er am Mittwoch scheinbar teilnahmslos auf der Anklagebank. Es ist bereits der zweite Prozess gegen ihn, und wieder hüllt er sich in Schweigen. Für die Angehörigen der Opfer ist dies eine erneute Belastung, denn sie hoffen immer noch auf Antworten nach der unfassbaren Tat vom 11. März 2009.

 

Der 17-jährige Tim K. hatte damals in Winnenden und Wendlingen insgesamt 15 Menschen und sich selbst erschossen. Sein Vater machte laut Anklage die Bluttat erst möglich, weil er die Tatwaffe unverschlossen im Schlafzimmerschrank aufbewahrte. Ihm wird ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Zudem droht dem Sportschützen nach rechtlichem Hinweis des Gerichts erneut auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung. Die 18. Strafkammer des Gerichts hatte ihn unter anderem deswegen bereits im Februar 2011 zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt.

"Das ist für uns sehr belastend"

Doch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte das erste Urteil vom Februar 2011 wegen eines Verfahrensfehlers kassiert. „Ich verstehe nicht, warum nun in 15 Verhandlungstagen noch mal fast alles aufgerollt wird“, sagt Hardy Schober, der gemeinsam mit anderen Angehörigen das Aktionsbündnis Amoklauf gegründet hat. „Das ist für uns sehr belastend“. Der 53-Jährige kommt an diesem Tag als einer der letzten ins Landgericht. Im schwarzen Mantel eilt der Mann, der bei dem Amoklauf an einer Realschule in Winnenden seine Tochter Jana verlor, in den Verhandlungssaal. „Jetzt kommt natürlich alles noch mal hoch“, sagt er und zupft sich nervös den Mantel zurecht.

Das Interesse an dem Prozess ist wieder groß, wenn auch nicht ganz so riesig wie vor rund zwei Jahren: Etwa 50 Zuschauer, 27 Medienteams und rund 15 Nebenkläger verfolgen den Auftakt. Polizisten und Justizbeamte kontrollieren vor Beginn der Verhandlung Jacken und Taschen, ein Sprengstoffspürhund schnüffelt durch die Flure.

"Wir wollten Antworten auf unsere Fragen bekommen"

Für die Mütter, Väter und Geschwister der Toten, die als Nebenkläger den Prozess verfolgen, werden die grausamen Bilder wieder wach, viele sind sichtbar aufgewühlt. Einige haben rotgeweinte Augen, und als die Anwälte des Angeklagten sprechen, fließen Tränen. Immer wieder gibt es einzelne Zwischenrufe, als der Strafverteidiger Hubert Gorka seinen Mandanten in Schutz nimmt. Das Trio der Verteidiger hofft unter anderem durch neue Beweise auf eine mildere Strafe. Den Verstoß gegen das Waffengesetz räumen sie allerdings ein.

Was viele der Angehörigen bewegt, fasst Tatjana Hahn in Worte: „Wir wollten Antworten auf unsere Fragen bekommen“, sagt die Schwester einer getöteten Schülerin unter Tränen. Derjenige, der am Besten dabei hätte helfen können, habe bislang nichts dazu beigetragen, auch weil er dem ersten Prozess monatelang ferngeblieben sei. Erst kurz vor Ende tauchte der Vater wieder auf und entschuldigte sich, was vielen Hinterbliebenen nicht genügte.

Eine höhere Strafe für den Angeklagten schloss der Richter gleich zu Beginn aus. Da nur die Verteidigung Revision beantragt habe, seien die 21 Monate das „Maximum“. So bleibt den Eltern und Geschwistern nur die Hoffnung auf Antworten. Hahn appellierte an den Angeklagten und seine Verteidiger: „Überlegen Sie noch mal, ob Sie etwas Menschlichkeit zeigen.“