Die Stadt Winnenden und die Unfallkasse Baden-Württemberg fordern insgesamt mehr als sechs Millionen Euro Schadenersatz von den Eltern des Amokschützen. Das Stuttgarter Landgericht hat einen Vergleich vorgeschlagen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Stuttgart - Vor der 15. Zivilkammer des Stuttgarter Landgerichts hat am Freitag der erste Termin im Prozess gegen die Eltern des Amokschützen von Winnenden (Rems-Murr-Kreis) stattgefunden. Die Stadt Winnenden und die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) fordern einen Ausgleich für die Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit dem Amoklauf an der Albertville-Realschule vor fünf Jahren entstanden sind. Beide Klagen behandelt das Gericht zusammen.

 

An der Seite der beklagten Eltern ist die Allianz Versicherung als sogenannte Streithelferin am Prozess beteiligt. Der 55-jährige Vater des Amokläufers hatte bei ihr eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die Personenschäden bis zu zwei Millionen Euro sowie Sachschäden bis zu einer Million Euro abdeckt. Die zwei Millionen Euro für Personenschäden sind bereits ausbezahlt worden.

Kosten für Schulumbau und Behandlungen

Die Stadt Winnenden fordert 5,3 Millionen Euro unter anderem für Umbauten an der Albertville-Realschule, in der am 11. März 2009 der damals 17-jährige Sohn der Beklagten drei Lehrerinnen und neun Schülerinnen und Schüler erschossen hat. Außerdem sind in dem geforderten Betrag Kosten für eine provisorische Containerschule enthalten, in der der Schulbetrieb abgehalten wurde, bis das Schulgebäude wieder bezogen werden konnte.

Die Forderung der UKBW beläuft sich auf eine Million Euro für Heilbehandlungskosten. Bei der Unfallkasse, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, sind sowohl Beschäftigte des öffentlichen Dienstes als auch Schüler oder Studenten wie bei einer Berufsgenossenschaft versichert. Neben der Heilbehandlung der Schüler, Lehrer und Eltern bezahlte die UKBW auch den Einsatz der Psychologen, die sich um die Schulgemeinschaft kümmerten.

Die Zivilkammer machte den streitenden Parteien einen Vergleichsvorschlag, der auf jenem aufbaut, der im vergangenen Dezember gescheitert war. Damals hatte die Stadt Winnenden in den Raum gestellt, mit einem Betrag von 500 000 Euro zufrieden zu sein, die UKBW mit einem von 200 000 Euro. Der Vergleich scheiterte jedoch, da der Vater angab, er sei mittellos. Nun schlug das Gericht vor, die Allianz solle 400 000 Euro an die Stadt bezahlen, die Eltern 100 000 Euro an die UKBW. Dies in Raten zu 5000 Euro pro Jahr. Sollten sie diesen Zahlungen zehn Jahre lang fristgemäß nachkommen, verfalle der Rest. Das Ehepaar müsste dann nur 50 000 Euro bezahlen. Kämen sie in Verzug, wären die 100 000 Euro fällig.

Stadt ist dem Vergleichsvorschlag nicht abgeneigt

„Ich halte den Vorschlag für einen gangbaren Weg, und ich werde dem Gemeinderat empfehlen, dem Vergleich zuzustimmen“, sagte der Winnender Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth, der selbst vor Gericht erschienen war. Der Vertreter der Allianz Versicherung wertete diese Aussage Holzwarths als positives Signal, das er so weitergeben wolle. Der Anwalt der Eltern sagte, er müsse den Vorschlag erst mit seinen Mandanten besprechen. Der Anwalt der Unfallkasse bemerkte, seine Mandantin komme bei dem Vergleich am schlechtesten weg. Deren zuständige Gremien müssten nun erst darüber entscheiden.

Die Entscheidung über den Vergleich muss bis zum 19. Dezember zustande kommen. Falls nicht, wird der Prozess am 16. Januar fortgesetzt. Dann könne es dazu kommen, dass die Mutter des Täters vorgeladen und über ihre Vermögensverhältnisse befragt werde, kündigte der Vorsitzende Richter an.

Der 17-jährige Sohn des Ehepaares hatte am 11. März 2009 mit eine großkalibrigen Pistole seines Vaters in Winnenden und Wendlingen (Kreis Esslingen) 15 Menschen und dann sich selbst erschossen. Die Waffe hatte der Vater unverschlossen in einem Wäscheschrank aufbewahrt. Dafür wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.