Radler beklagen auf ihrer offiziellen Hauptroute lange Wartezeiten an der Kreuzung vor dem Tagblattturm. Die wäre nur per Umbau verkürzbar, aber der ist vertagt.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, kurz ADFC, führt die Kreuzung seit 2012 auf seiner roten Liste, mit der Behinderungen des Radverkehrs angeprangert werden. Nun hat sie auch die Critical Mass entdeckt, jene Gemeinschaft von Radfahrern, die vor allem mit Gruppenausfahrten bezweckt, die Straße für die umweltfreundliche Fortbewegung in Anspruch zu nehmen.

 

Die Kreuzung ist die der Tor- und Stein- zur Eberhardstraße, die vor dem Tagblattturm. An deren Ampel müssen Pedaleure bis zu 90 Sekunden warten, hat die kritische Radlermasse gestoppt und diesen Umstand als Skandal enttarnt. Zwar sind die Wartezeiten auch für Autofahrer nicht kürzer, aber die Kreuzung ist Teil der Hauptradroute durch die Innenstadt. Und zumindest auf der möge freie Bahn für freie Radler gelten, reklamieren die Radler.

Die Ampel wird nicht fallen

Ein Stoppschild an der Tübinger Straße, ebenfalls Teil der Hauptroute, hatte die Bewegung mit Protestaktionen zu Fall gebracht. Nun soll die Ampel folgen. Die allerdings wird nicht fallen, jedenfalls nicht in den nächsten Jahren. Denn aus Sicht eines Signaltechnikers ist die scheinbar unscheinbare Kreuzung ein vertrackter Fall. Eben wegen der Radfahrer, denn die „behindern sich vereinfacht gesagt gegenseitig“, sagt Wolfgang Hertkorn, der im Rathaus die Abteilung Verkehrsmanagement leitet.

Autos sind an jener Kreuzung vergleichsweise wenige unterwegs, Radfahrer vergleichsweise viele, überdies dürfen sie Wege wählen, die Autofahrern verboten sind. „Die Wartezeit von maximal 90 Sekunden ist richtig“, sagt Hertkorn, „wir haben da eine unglückliche Situation“. Die ist, dass der Verkehr aus drei Straßen auf die Kreuzung fließt und die Auswahl aus bis zu drei Fahrtrichtungen hat. Was für den Gegenverkehr selbstverständlich genauso gilt. Zusätzlich sind drei Fußgängerampeln zu berücksichtigen, und der Bus fordert gemäß dem Leitsatz Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr für sich Grün an.

Auf den Straßen abseits der Hauptroute „sind sicher keine Massen an Radfahrern unterwegs“, sagt Hertkorn, „aber ich muss sie alle trennen“, der Sicherheit wegen. Wenn Radfahrer A wartet, während erst für Radfahrer B, dann für C freie Fahrt gilt, „entsteht der Eindruck, ich stehe ewig, und nichts passiert“. Schlicht, weil B und C nur theoretisch unterwegs sind. Die Ampel sei überprüft, die Wartezeit minimal verkürzt worden, „aber die Geometrie der Kreuzung kann ich nicht ändern“, sagt Hertkorn. Dazu wäre ein Umbau nötig.

Der Umbau taugt weit eher zum Skandal als die Ampel

Der ist seit Jahren versprochen und taugt weit eher zum Skandal als die Ampel. Die einst versuchsweise, längst endgültig für den Autoverkehr gekappte Straße wollte der ehemalige Baubürgermeister Matthias Hahn zwischen Wilhelmsplatz und Tübinger Straße zu einem großstädtischen Boulevard umbauen lassen. Vor vier Jahren entschied das Architekturbüro Behnisch einen Wettbewerb für sich, mit dem das Vorhaben befördert werden sollte. Teil der Pläne war, die Kreuzung zu einem Kreisverkehr umzubauen. Hahn erklärte, die Arbeit könne im Jahr 2014 beginnen.

Allerdings ist bis heute kein Baubeginn in Sicht. Eine schwarz-grüne Mehrheit im Gemeinderat hat die Verwirklichung bei den jüngsten Haushaltsberatungen erneut in die ferne Zukunft verschoben. „Leider“, sagt Stephan Oehler, der stellvertretende Leiter des Stadtplanungsamts, „wir bedauern das auch, die Kreuzung ist wirklich verbesserungswürdig“.

Allerdings wird sie keinesfalls vor 2018 verbessert und keinesfalls so, wie die preisgekrönten Planer es vorgesehen hatten. Von ihren Vorschlägen blieb nach dem Amtsumlauf wenig. Ganze Baumreihen wichen schlichten Pflanztrögen. Der Kreisverkehr ist ebenfalls gestrichen. Die aktuelle Lösung der Wahl ist eine Art viereckige Kreuzung – die wäre immerhin nahezu ampelfrei. Nur noch der Bus soll den Verkehr stoppen können. Geblieben sind breitere Gehwege und: statt der roten Streifen auf dem Gehweg echte Radwege.

Auf die hätte die Stadt aus Sicht der kritischen Radlermasse als erstes verzichten können. In deren zehn Geboten für sicheres Radfahren ist an dritter Stelle zu lesen: „Fahre möglichst nicht auf Radwegen.“ Das sei zu gefährlich.