Das Amtsgericht entscheidet im Zweifel für den Angeklagten. Zuvor hatte der Gutachter Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage seiner Ex-Frau geäußert. Für sie könnte das ein Nachspiel haben.

Ludwigsburg - Das Amtsgericht Ludwigsburg hat den 33-jährigen Mann, dessen Fall seit Mitte März verhandelt wurde, vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Seine Ex-Frau hatte ihm vorgeworfen, sie mit Nacktvideos von ihr erpresst, ihrer Familie gedroht und somit Geschlechtsverkehr von ihr erzwungen zu haben. „Ich war wie eine Sklavin“, hatte sie bei ihrer Aussage vor Gericht gesagt. Ihr Ex-Mann hatte dies alles abgestritten, wodurch Aussage gegen Aussage stand.

 

Licht ins Dunkel brachte am fünften und letzten Verhandlungstag ein psychologisches Gutachten, das die Qualität der Aussagen der geschädigten Ex-Frau und Nebenklägerin bewertete. Derer gab es insgesamt drei: Die erste bei der Anzeige bei der Polizei in Ulm im November 2014. Die zweite am selben Abend noch bei der Kriminalpolizei in Ulm und die dritte im März dieses Jahres vor Gericht.

Die Drohungen wurden von Aussage zu Aussage schlimmer

Der Gutachter stellte in mehreren Punkten Ungereimtheiten fest. Besonders auffällig sei, dass die vorgeworfenen Drohungen von Aussage zu Aussage „deutlich zugenommen“ hätten. So gibt es drei verschiedene Schilderungen von einer Begegnung in der Wohnung ihres Ex-Mannes, bei der dieser mit Selbstmord gedroht habe. Während in der ersten Aussage von einem Rasiermesser die Rede ist, lagen in der zweiten Version auch Messer auf dem Tisch, und in der dritten Aussage sprach die Frau sogar von Schusswaffen.

Ebenso ungeklärt blieb, inwiefern die Frau sich an jenem Abend gegen den Geschlechtsverkehr ausgesprochen hat, der nach dem Gespräch stattfand. Einmal sagte sie aus, sie habe dem Sex zugestimmt aber mit ihrem Gesichtsausdruck zeigen wollen, dass sie nicht mit ihm schlafen wolle. Bei einer anderen Aussage sagte die Frau, sie habe mehrmals nein gesagt und geweint.

Falschaussage,um Bruch mit Familie zu überwinden?

Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass bei der Frau ein „instrumentelles Aussagemotiv“ vorliegen könne. Sprich: Weil sie wegen der heimlichen Beziehung zu ihrem Ex-Mann Ärger mit ihrer Familie hatte, habe sie die Aspekte der Nötigung in ihren Aussagen immer weiter gesteigert, um so den Bruch mit der Familie zu überwinden. Nach dieser Logik habe sie den Kontakt zu ihrem Ex-Mann gar nicht gewollt, sondern dieser habe ihn erzwungen. In seinem Fazit betonte der Gutachter jedoch, dass für ihn nicht klar sei, welche Schilderungen der Frau wahr sind und welche sie später ergänzt hat.

Es sei auch möglich, dass die Frau sich bei der ersten Aussage aus Angst zurückgehalten habe. Dagegen spreche aber, dass das Ausmaß der Bedrohungen zwar immer detailreicher geschildert wurde, die angeblich übergriffigen sexuellen Handlungen jedoch sehr im Vagen geblieben seien.

Wird die Ex-Frau selbst bald angeklagt?

In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt einen Freispruch vom Vorwurf der Nötigung. Bestraft werden solle der 33-Jährige lediglich dafür, dass er ein Sex-Video seiner Ex-Frau an deren Vater geschickt habe. Der Anwalt der Frau sah die Nötigung nicht ausgeräumt und forderte auch hierfür eine Strafe. Die Verteidiger hingegen warfen der Frau bewusste Falschaussagen vor: „Hier wurde ganz klar die Unwahrheit gesagt, um sich Halt bei der Familie zu suchen“, sagte einer der Anwälte und deutete an, dass die Ex-Frau deshalb womöglich selbst bald auf der Anklagebank sitzen könnte.

Das Gericht folgte dem Staatsanwalt und sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Nötigung frei. Wegen des Versendens des Nacktvideos wurde der Mann zu 60 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt.