Eine 45-Jährige aus Sindelfingen landet vor dem Amtsgericht, weil sie beim Public Viewing und in der Therme ausflippte. Auch im Gerichtssaal kann sie sich nicht an die Regeln halten. Dafür muss sie 300 Euro Strafe zahlen.

Sindelfingen/Böblingen - Mitarbeiter der Böblinger Mineraltherme hat sie lautstark vor anderen Badegästen beleidigt und gedroht, dafür zu sorgen, dass diese ihren Job verlieren. Sie attackierte Polizisten, die sie aus dem Bad führen wollten. Und den Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer hat sie beim Public Viewing auf dem Wettbachplatz während der Fußball-WM im vorigen Jahr vor mehreren Zeugen massiv beleidigt. „Korruptes Schwein“ war noch die harmloseste Beschimpfung.

 

Wegen dieser und anderer Vorwürfe stand eine stadtbekannte 45 Jahre alte Sindelfingerin am Freitag vor dem Böblinger Amtsgericht. „Ich bin wegen meiner Fernsehauftritte bekannter als der Sindelfinger Oberbürgermeister“, stellte sie sich vor. In der Vergangenheit war sie zu Gast bei „Wer wird Millionär“ gewesen und hatte in der Doku-Soap „Frauentausch“ mitgewirkt.

Vor Gericht zeigte sich die Frau als ausgesprochen streitlustig. Immer wieder fiel sie dem Richter, dem Staatsanwalt und den Zeugen ins Wort. Immer wieder rief sie der Richter Horst Vieweg zur Ordnung – und verhängte schließlich ein Ordnungsgeld von 300 Euro gegen die Frau, die ihre Aussage lautstark und wortreich machte, immer wieder in Tränen ausbrach.

Eigentlich ist es eine tragische Geschichte, die die 45-Jährige vor Gericht brachte. Deshalb zeigten sich sowohl der Staatsanwalt als auch der Richter trotz der schweren Vorwürfe und des Verhaltens der Beschuldigten ausgesprochen milde. Seit einem Jahr kämpft die Frau um ihre Tochter, die ihr das Jugendamt am 6. Februar entzogen hat – einen Tag nach dem Vorfall in der Böblinger Mineraltherme.

Bei der Kommunalwahl angetreten

Die verzweifelte Frau setzte daraufhin alle Hebel in Bewegung, um ihre Tochter zurückzubekommen. Sie gründete für die damals bevorstehende Kommunalwahl eine Partei, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Mehrfach stellte sie auch bei der Bürgerfragestunde des Gemeinderats Anfragen – so vehement und beleidigend, dass man ihr das Mikrofon abdrehte und sie sogar einmal aus dem Saal führen ließ. Die 45-Jährige witterte ein Komplott, an dem der Rathauschef beteiligt sein sollte: Er habe dafür gesorgt, dass man ihr die Tochter entzogen habe. Bei der Kommunalwahl fuhr sie erwartungsgemäß nur wenige Stimmen ein – und ließ prompt über Internetforen und per Pressemitteilungen verbreiten, es läge eine Wahlfälschung vor.

Dass es überhaupt eine Gerichtsverhandlung wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte und Beleidigung gab, hat die Beschuldigte selbst zu verantworten. Gegen einen Strafbefehl von 120 Tagessätzen hatte sie Widerspruch eingelegt. Deshalb wurden die Vorwürfe nun vor Gericht verhandelt. In ihrer Aussage erhob die 45-Jährige ihrerseits schwere Vorwürfe gegen die Bademeister der Therme und Polizeibeamte. Sie habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, doch die Polizisten hätten sie nackt durch die Therme gezerrt und dabei ihre Würde beleidigt.

Die als Zeugen geladenen Bademeister und Polizisten schilderten den Vorfall ganz anders. Vorausgegangen sei dem Ganzen ein Vorfall am 26. Januar. Damals war die Sindelfingerin mit ihrer acht Jahre alten Tochter und deren Freundin in der Therme gewesen. „Die beiden Mädchen rannten fast nackt allein durch die Sauna. Das hielt ich für gefährlich. Es sind auch viele Männer allein in der Sauna“, schilderte ein Bademeister den Vorfall. Der Mitarbeiter machte die Mutter ausfindig und bat sie, auf die Kinder zu achten. Daraufhin sei die Frau ausfällig geworden. „Meine Tochter ist mit acht Jahren geschäftsfähig, wenn ich das so will“, sagte sie dem Bademeister.

Richter zeigt sich milde

Am 5. Februar dann habe sie ihn bei einem Thermalbadbesuch in der Sauna vor 40 Badegästen wegen dieses Vorfalls beleidigt. Als er sie gemeinsam mit einer Kollegin zur Rede stellte, habe die Frau begonnen herumzuschreien. „Sie haben mir nichts zu sagen“, erklärte sie den Therme-Mitarbeitern. Deren Aufforderung, das Bad zu verlassen, sei sie nicht gefolgt. Deshalb riefen die Bademeister die Polizei. Auch auf deren Hausverweis reagierte die 45-Jährige nicht. Als die Beamten sie abführen wollten, schlug sie wild um sich. Mit Handschellen wurde sie gebändigt.

Wegen ihres Widerstands sowie den Beleidigungen erhielt sie einen Strafbefehl. Der Richter zeigte sich gnädig und setzte die 120 Tagessätze auf 90 herab. Damit gilt die Frau als nicht vorbestraft. „Ich glaube, Ihnen ist nicht klar, dass wir hier sehr entgegenkommend sind“, sagte der Richter. Die 45-Jährige zeigte sich uneinsichtig. „Ich wünsche mir, dass die Wahrheit herauskommt und alle zur Rechenschaft gezogen werden“, antwortete die Sindelfingerin unter Tränen.