Ein Paar klaut Stiefel und Pumps. Die Ladenbesitzerin nimmt die Verfolgung auf und lässt sich selbst als sie verletzt wird nicht abschütteln. Vor der Festnahme will einer der Schuhdiebe die Ladenbesitzerin noch mit einem Handkuss beschwichtigen.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Waiblingen - Der Richter Kärcher musste lange mit den beiden Schöffen verhandeln, bis er ein Urteil fällte. Zu unterschiedlich waren die Versionen, die das Opfer und die Angeklagten schilderten. „Es ist zwar nur ein einfacher Ladendiebstahl gewesen, aber die ganze Geschichte hat Fragen aufgeworfen“, sagte Kärcher kurz vor der Urteilsverkündigung. Schlussendlich verurteilte er die beiden Angeklagten jedoch nur zu Geldstrafen.

 

Der Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht Waiblingen verhandelt wurde, trug sich am 9. Oktober des vergangenen Jahres zu. Laut Staatsanwaltschaft sollen Anita B. und Dario F. (alle Namen geändert) in einem Fellbacher Schuhladen zwei Paar Schuhe gestohlen haben. Vor dem Geschäft wurden sie jedoch von der Ladenbesitzerin gestellt. Als diese in die Tasche von Anita B. greifen wollte, packte Dario F. die 61-jährige Frau an der Hand und schleuderte sie gegen das Schaufenster einer leer stehenden Drogerie. Dann flüchtete das Paar. Die Ladenbesitzerin nahm trotz Verletzungen die Verfolgung auf. Sie hielt ein Auto auf der Straße an und konnte kurz darauf mithilfe von Bekannten die Diebe stellen. Dann wurde die Polizei gerufen.

Der Versuch einer Charmoffensive scheitert

„Dario F. hat mir ein Fingergelenk zertrümmert“, sagte die Ladeninhaberin Doris K. vor Gericht. Dabei habe sie nur kontrollieren wollen, ob Anita B. die zwei Paar Schuhe im Wert von 230 Euro in der Tasche hat, die nach dem Besuch des Paars in ihrem Geschäft fehlten. Später habe sich der 51-Jährige dann plötzlich von einer ganz anderen Seite gezeigt. „Er wollte mir sogar einen Handkuss geben, und bat mich, nicht die Polizei zu informieren.“

Dario F. spielte vor Gericht das Unschuldslamm. „Ich wusste nicht, dass meine Freundin die Schuhe gestohlen hatte“, sagte er. Handgreiflich sei er nur geworden, um die beiden Frauen auseinanderzubringen. Sein Verteidiger setzte sogar noch einen drauf. Was Dario F. getan habe, sei eine Verteidigungshandlung gewesen. „Er wertete den Griff von Doris K. in die Tasche als Angriff auf das Eigentum seiner Freundin.“ Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.

Der Staatsanwalt glaubt der Schuhverkäuferin

Der Staatsanwalt glaubte dagegen den Schilderungen der Schuhverkäuferin Amanda A., die ebenfalls im Zeugenstand aussagte. Die junge Frau schilderte, dass ihr das Paar auffiel, weil es mit den Damenschuhen in der Herrenabteilung verschwand. Als Dario F. und Anita B. den Laden verließen, fehlten die Schuhe. Amanda A. informierte die Chefin, die dann sofort die Verfolgung aufnahm. „Dario F. wusste also, was in der Tasche war, als Doris K. sie aufforderte stehen zu bleiben“, sagte der Staatsanwalt. Er forderte für die beiden Angeklagten wegen gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls eine Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Der Richter Kärcher verurteilte Dario F. wegen Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro. Seine Partnerin Anita B. muss wegen des Diebstahls 20 Tagessätze zu je 15 Euro zahlen. „Wir können Dario F. nicht sicher den Diebstahl zurechnen“, erklärte Kärcher das relativ milde Urteil. Zudem seien die beiden Angeklagten nicht vorbestraft gewesen.