Die Gesetze sind schon lang verabschiedet, doch nach wie vor gibt es in der Energiepolitik eine Reihe von offenen Baustellen.

Berlin - Seit dem Sommer dieses Jahres liegen die Fakten der deutschen Energiewende auf dem Tisch: die Atomkraftwerke werden nach und nach abgeschaltet und die erneuerbaren Energien ausgebaut. Auch der Bau neuer Stromleitungen sowie von Kohle- und Gaskraftwerken soll schneller genehmigt werden. Zudem soll es für Hausbesitzer deutlich attraktiver werden, ihre Gebäude zu dämmen und so Energie zu sparen.

 

Im Jahr 2020 stammen in Deutschland mindestens 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien, 2050 sind es sogar 80 Prozent - so zumindest lautet die Theorie. In der Praxis stößt die Umsetzung der Energiewende allerdings immer wieder an Grenzen. Und es sind nicht allein die Bürgerproteste, die vielerorts den Bau neuer Kraftwerke oder Stromleitungen blockieren.

Gebäudesanierung

Das Gesetzespaket, das die Regierung vor einem halben Jahr beschlossen hatte, scheiterte in einem Punkt schon im Bundesrat. Die Länderkammer zog bei der Idee, Haussanierern zu erlauben, zehn Prozent ihrer Ausgaben steuerlich abzusetzen, nicht mit. Streitigkeiten über die Verteilung der Kosten von 1,5 Milliarden Euro machten diesem Vorhaben den Garaus. Am Dienstag Abend wollte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ausloten, ob der Steuerbonus doch noch zu retten ist. Die Gebäudesanierung gilt als zentraler Baustein der Energiewende. Bis zu vierzig Prozent der Energie wird in Gebäuden verbraucht, und ein Drittel der CO2-Emissionen entfällt hierzulande auf den Gebäudebereich.

Energiesparen

Offiziell bekräftigt die Bundesregierung immer wieder, dass Energiesparen der Schlüssel zur Energiewende ist. Tatsächlich aber versucht die Bundesregierung, die von Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) vorgeschlagene EU-Energieeffizienzrichtlinie aufzuweichen. Oettinger hat klare Vorstellungen davon, wie die EU-Mitgliedstaaten das Ziel erreichen können, bis 2020 ein Fünftel weniger Energie zu verbrauchen.

Er will unter anderem erreichen, dass Energieversorger durch Fachberatung ihrer Kunden und Tipps zum Energiesparen jedes Jahr 1,5 Prozent weniger Energie verkaufen. Die Regierung hält davon nichts und will, dass die Staaten frei entscheiden können, mit welchen Mitteln sie das gesteckte Einsparziel von 20 Prozent erreichen. Bei besonders starkem Wirtschaftswachstum soll außerdem mehr Energie verbraucht werden dürfen als von der EU ins Auge gefasst ist.

Erneuerbare Energien

Die Regierung will, dass der grüne Strom schnell konkurrenzfähig wird und stellt die Einspeisevergütung auf den Prüfstand. Vor allem die Förderung der Fotovoltaik entfacht derzeit Streit zwischen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Rösler plädiert für eine Deckelung beim Neubau von Solaranlagen. Röttgen hingegen hält die beschlossene Senkung der Förderung um 15 Prozent für ausreichend, um die Kosten für den Ausbau der Fotovoltaik in Grenzen zu halten.

Die Verbraucher müssen die Förderung der erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage mitfinanzieren, die Bestandteil des Strompreises ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Sommer betont, der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Aufschlag auf den Strompreis solle nicht über 3,5 Cent pro Kilowattstunde steigen. Prognosen von Betreibern und Experten gehen jedoch davon aus, dass die Umlage für das Jahr 2013 zwischen 3,66 und 4,74 Cent liegen könnte, wenn die Politik nicht gegensteuert. Zum Ärger von Verbraucherschützern ist ein Großteil der Industrie von der EEG-Umlage befreit.

Stromnetze

Bis 2020 müssen bis zu 4450 Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden, um vor allem den Windstrom, der zu einem erheblichen Teil in Norddeutschland erzeugt wird, in den Süden zu transportieren. Die Regierung beschloss im Sommer, das Prozedere für den Bau von Leitungen zu beschleunigen. Doch das gilt nur für neue Projekte. Die 850 Kilometer fehlenden Leitungen, die schon vor der offiziell ausgerufenen Energiewende identifiziert worden sind und von denen gerade einmal 100 Kilometer gebaut sind, fallen nicht unter diese Neuregelung.

Die Netzbetreiber beklagen zudem, dass die Renditen für Neuinvestitionen, die die Bundesnetzagentur bei der Berechnung der Netzentgelte festlegt, nicht attraktiv genug seien. Derzeit gesteht die Behörde den Unternehmen eine Eigenkapitalrendite von 9,2 Prozent zu, von 2014 an sinkt sie auf 9,05 Prozent.

Verbraucherschützer sind empört, dass Haushaltskunden und Unternehmen, die wenig Strom verbrauchen, die Netzentgelte zahlen müssen, während sich besonders energieintensive Unternehmen davon künftig befreien lassen können. Nach Schätzung der Verbraucherschützer werden dadurch Kosten von rund einer Milliarde Euro umverteilt.

Klimafonds

Der Klimafonds, mit dem die Energiewende teilweise finanziert werden soll, bangt um seine Einnahmen. Statt der ursprünglich erwarteten 10,5 Milliarden Euro, die aus dem Emissionshandel in den Fonds fließen sollten, rechnet die Regierung nun nur noch mit Erlösen zwischen einer und vier Milliarden Euro. Grund dafür ist der gesunkene Zertifikatepreis für jede ausgestoßene Tonne CO2. Er ist von 17 Euro auf zehn Euro gesunken.

Kohle- und Gaskraftwerke

"Wir werden auch in Zukunft konventionelle Kraftwerke brauchen, aber sie werden sich nicht mehr lohnen", warnt Andreas Mundt vom Bundeskartellamt. Tatsächlich wird der wirtschaftliche Betrieb dieser Anlagen schwierig, wenn sie nur noch dann Strom liefern sollen, wenn der Wind nicht ausreichend stark weht oder die Sonne zu wenig scheint. Deshalb fordern die Betreiber Prämien für das Bereithalten ihrer Kraftwerke. Davon hält die Bundesregierung (derzeit) allerdings noch nichts.