In Bietigheim-Bissingen kippen die Bürger die Biogutvergärungsanlage, in Freiberg mobilisieren sie sich gegen Schulschließungen, in Korntal gegen ein Flüchtlingsheim: Eine Analyse der Lage.

Kreis Ludwigsburg - Vor dem Bürgerentscheid ist nach dem Bürgerentscheid: Kaum haben die Einwohner von Bietigheim-Bissingen die vom Kreis und den Stadtwerken geplante Biomüllvergärungsanlage abgelehnt, führt in Freiberg der Ärger über die Schulentwicklung zum nächsten Bürgerbegehren – das vielleicht wieder in eine Abstimmung mündet. Und in Korntal-Münchingen werden die Menschen über ein Flüchtlingswohnheim entscheiden, das am Friedhofsgelände geplant ist.

 

Die Motive sind in den genannten Fällen ganz unterschiedlich. Allerdings ist stets persönliche Betroffenheit die Antriebsfeder für das Engagement. Die noch von der grün-roten Landesregierung geänderten Regeln machen es deutlich einfacher: Das Unterschriftenquorum ist niedriger, und es genügt eine 20-prozentige Mehrheit der Stimmberechtigten, dass ein Bürgerentscheid gilt wie ein Gemeinderatsbeschluss. Zudem darf das Volk über viel mehr Themen entscheiden.

Kommunalpolitik wird schwieriger

Der Landrat Rainer Haas hat seinen Unmut zum Ausdruck gebracht: Eine Biovergärungsanlage habe auf absehbare Zeit keine Chance mehr – weil an jedem Standort lokale Partikularinteressen überwiegen würden und ein Bürgerentscheid schnell auf die Beine gestellt sei. In Freiberg kämpfen die Bürger für ihre kleinen Schulen und lehnen eine zentrale Großeinrichtung ab, was die Schulplanung der Kommune erschwert. Sollte der Korntaler Entscheid erfolgreich sein, hätte die Stadt ein Problem mit Flüchtlingsunterkünften.

Das macht es für die Kommunalpolitik deutlich schwieriger, unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen. Zumal es in den Bürgerentscheiden nicht um differenzierte, ausgewogene Konzepte geht, sondern um ein schlichtes Ja oder Nein. Das ist die Folge der gelockerten Regeln auf Landesebene und politisch gewollt. Man sollte nach einer gewissen Erfahrungszeit Bilanz ziehen – und die Zügel in einigen Punkten wieder etwas straffer anziehen.

Gleichwohl gilt aber auch: die Kommunalpolitiker müssen sich mehr Mühe geben, ihre Anliegen zu erklären und dafür werben. Das Beispiel der Biogutvergärungsanlage zeigt, dass sich schlechte Kommunikation im Vorfeld rächt. Direkte Demokratie ist anstrengend, aber auch ein Ansporn für gute Politik.