Seit Samstag hängen sie und in den kommenden Wochen führt kein Weg an ihnen vorbei: Kommunikationsdesigner und Blogger Achim Schaffrinna hat sich die Bundestagswahlplakate für uns angeschaut. Sein Fazit: Nicht jeder Partei ist die Eigenwerbung geglückt.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - Sie setzen das optische Startsignal für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Seit Samstag dürfen die Parteien in ganz Deutschland offiziell ihre Botschaften für die Wahl am 22. September plakatieren.

 

Den unmittelbaren Einfluss der Plakate auf das Wahlverhalten schätzen Experten zwar als gering ein, dennoch sind sie die klassische Visitenkarte einer Partei – und aus dem Wahlkampf nicht mehr wegzudenken.

Die Bundestagswahl, erklärt in einer interaktiven Infografik (zum Vergrößern klicken):

Welche Plakate sind besonders gelungen? Welche nicht? Und warum? Diese Fragen beantwortet der Kommunikations-Designer Achim Schaffrinna. Seit Mai 2006 bloggt er in seinem "Design Tagebuch" über Design. Auch die Wahlplakte nimmt er dort regelmäßig unter die Lupe. Beispielhaft für die Kampagnen analysiert er jeweils ein Themenplakat der fünf Parteien, die bereits im Bundestags vertreten sind und jener, die sich Chancen für einen Einzug ausrechnen können.

Das Wahlplakat der CDU

„Dieses Plakat könnte auch eine Anzeige für Supermarktprodukte sein“, sagt Schaffrinna. Noch stärker als in der Vergangenheit setze die CDU 2013 auf die Farbe Orange. Diese stehe allerdings nicht für Premium und lasse die Gestaltung weniger wertig wirken.

Auffällig sei außerdem, dass alle Menschen auf diesem und den anderen Themenplakaten lächeln oder lachen. „Diese Fröhlichkeit empfinde ich als gestellt“, ergänzt er. Anders als bei der SPD und den Piraten sind die Menschen keine authentischen Personen, sondern Models.

Speziell bei diesem Plakat kritisiert der Designer, dass der Slogan im Bild nicht aufgegriffen wird: „Inwiefern ist diese Familie denn anders? Zu sehen sind ganz klassisch Vater, Mutter und Kind.“ Das Fazit des Experten: Gestalterisch bedeuten diePlakate eine Verschlechterung gegenüber 2009.

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Das Wahlplakat der SPD

Das Parteilogo, das Wahlkampfmotto und der jeweilige Slogan: Drei Elemente dominieren die Motive der SPD. „Ein Plakat darf keine Rätsel aufwerfen“, sagt Schaffrinna. „Die übersichtliche Gestaltung ermöglicht, dass Passanten die Botschaft schnell erfassen können“, sagt er. Die Familie wirke freundlich, aber nüchtern. „Indem Menschen in ihrem realen Umfeld dargestellt werden, vermittelt die Kampagne Bodenhaftung“, sagt der Designer.

Die SPD verweist wie andere auch auf ihre Internetseite. Das sei das Mindeste. Er vermisse, dass die Parteien stärker neue Medien nutzen. Bei der Wahl in Niedersachsen hat die SPD noch mit Augmented Reality experimentiert. Damals konnten Internetnutzer eine App herunterladen, die den Kandidaten Stephan Weil sprechen ließ, sobald das Smartphone über das Plakat bewegt wurde. Insgesamt wirke die Kampagne gestalterisch sehr hochwertig.

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Das Wahlplakat der Grünen

Laut Schaffrinna sind die Grünen besonders mutig, weil sie gänzlich auf ihr Logo verzichtet haben. „Das ist ein absolutes Novum“, sagt er. Auch der Parteiname taucht nur in dem kleinen Hinweis auf die Homepage auf. Stattdessen werben sie mit grünem Klecks und weißer Sonnenblume. Dass es sich um ein Plakat der Grünen handelt, sei trotzdem sofort erkennbar.

Mit dem „Und Du?“ spricht die Partei die Menschen direkt an. „Sprachlich trifft das die Klientel“, sagt der Experte. Als „unkonventionell“ bezeichnet er die Fotos. Aufgrund geringer Brennweite wirkten die Porträts wie aufgepumpt und würden zum Hingucker.

Während andere die Plakate als inhaltsleer kritisieren, hält Schaffrinna die auf das Minimum reduzierte Gestaltung für zielführend und erstrebenswert. Auch der Slogan zur Integrationspolitik versprühe Wortwitz. Ein Plakat könne ohnehin keine komplizierten Sachverhalte transportieren, sondern allenfalls eine Duftmarke setzen. Und das sei hier gelungen.

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Das Wahlplakat der FDP

„Die Plakate der Liberalen sind  wie bei den meisten Wahlen zuvor auch 2013 simpel“, sagt der Designer und ergänzt: „Sie haben keine richtige Schwäche, und das ist auch schon ihre Stärke.“ Auf den Plakaten, die die FDP bisher veröffentlicht hat, sind nur auf den Kandidatenplakaten Menschen zu sehen. Die Themenplakate kommen ohne Gesichter aus. Das lässt sie nach Auffassung von Schaffrinna statisch und schlicht wirken.

Selbst die schräg verlaufende Schrift verleihe diesem Plakat keine Dynamik. Ihrer Funktion als Weckruf kommen solche auf einen Spruch reduzierte Motive dennoch nach, sagt der Designer.

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Das Wahlplakat der Linken

„Die Einfachheit der Plakate ist der Linkspartei zufolge konzeptionell gewollt“, sagt der Experte. Nichts solle vom Thema ablenken, auch keine anspruchsvolle Gestaltung. Die Botschaft wird nicht durch eine Bild-Text-Kombination transportiert. „Die Gestaltung ist puristisch, aber auch uninspiriert. Insgesamt ist sie weniger aggressiv als in den vergangenen Jahren“, sagt Schaffrinna. Auch die Zahl der Ausrufezeichen habe abgenommen. Die Kampagne komme nicht so laut daher wie sonst.

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Das Wahlplakat der Piraten

„Die Piratenpartei ist auf dem Weg zu einer eigenen visuellen Identität“, sagt Schaffrinna. Bei dieser Wahl verwendet sie neben Orange auch Blau als Parteifarbe.

Vor allem stört sich der Designer an den vielen Textfeldern. „Die Piraten nutzen fast jeden Zentimeter auf dem Plakat, das ist zu viel“, sagt er. Die politische Botschaft sei außerdem zu komplex. „Mal wenden sich die abgebildeten Piraten direkt an den Betrachter, mal führen sie ein Selbstgespräch und wieder ein anderes Mal wird ein politischer Slogan abgebildet“, analysiert Schaffrinna. Er vermisse dabei einen einheitlichen Sprachduktus in der Plakatserie.

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Das Wahlplakat der AfD

Als neue Partei bestünde die größte Aufgabe für die Alternative für Deutschland darin, sich von den anderen abzugrenzen. „Der Partei ist es gelungen, eine eigene Farbgebung zu etablieren“, sagt der Design-Experte. Das Blau-Rot tue zwar in den Augen weh, hebe sich aber von den anderen Parteien ab.

Die Comic-Zeichnung kritisiert er: „Das erinnert eher an die 60er und 70er Jahre, als man noch mit HB-Männchen geworben hat, und wirkt arg naiv.“ Auch der Hinweis, dass am 22. September Wahl ist, sei früher häufig gemacht worden, aber nicht mehr zeitgemäß. Insgesamt wirke das Motiv durch die vielen verschiedenen Elemente sehr wild und wenig vertrauensstiftend.

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Der Experte Achim Schaffrinna

Achim Schaffrinna ist Diplom-Designer. Nach dem Studium war er für mehrere Agenturen tätig, seit 2011 arbeitet er selbstständig. In seinem Blog „Design Tagebuch“ veröffentlicht er regelmäßig Beiträge zum Thema – zu fast jeder Wahl auch Analysen von Parteiplakaten.