Deutschland hat sich bei der Energieversorgung einzigartig positioniert. Das ist auch international wichtig. Eine Analyse von Eva Drews.

Daegu - Weltweit wird der Verbrauch von Energie bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um fast vierzig Prozent steigen. Gleichzeitig haben rund um den Globus 1,3 Milliarden Menschen noch überhaupt keinen Zugang zu Strom und damit zu wirtschaftlicher Entwicklung. Um den Nachfrageanstieg auch nur halbwegs decken zu können, braucht es sämtliche Energieträger: die fossilen Rohstoffe Öl, Kohle und Erdgas genauso wie Atomkraft, Biomasse, Wasser, Sonne und Wind; da sind sich Experten weltweit sicher.

 

China hat knapp 60 neue Meiler in Planung

China baut derzeit 30 neue Atomkraftwerke und hat weitere 59 neue Meiler in Planung. Die USA profitieren vom noch vor fünf Jahren ungeahnten Boom des Schiefergases und reduzieren damit ihren Treibhausgasausstoß deutlicher, als es Europa mit seinem Emissionshandelssystem vermag. Das macht Kohle international billig und lässt deren Verbrauch vor allem in den Schwellenländern steigen. Erneuerbare Energien spielen zwar weltweit eine Rolle – aber eine deutlich untergeordnete.

Angesichts dieser Prognosen und Fakten hat die deutsche Energiewende beim Weltenergiekongress im koreanischen Daegu, der am Donnerstag zu Ende gegangen ist, wie eine seltsame, extreme Position angemutet. Zwar löste der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromerzeugung von fast 25 Prozent immer wieder Bewunderung aus, doch spätestens, wenn in den Diskussionsforen die Schattenseiten des Erfolgs zur Sprache kamen, schwankten die internationalen Zuhörer zwischen ungläubigem Staunen und Ablehnung.


Ist Deutschland auf dem Holzweg? Nicht grundsätzlich, aber durchaus in wichtigen Details. So ist etwa die Fehlentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) unübersehbar: Es bietet den regenerativen Energien einen Schutz, den sie längst nicht mehr brauchen – und das auf Kosten von Verbrauchern und Unternehmen. Die Notwendigkeit zur Korrektur gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des europäischen Emissionshandelssystems, das ähnliche Ziele wie die Energiewende mit anderen Mitteln umsetzen soll. Da die hohe Einspeisung von Ökostrom den Preis von Emissionszertifikaten aber auf Tiefststände drückt, ist es günstiger, Strom aus Kohle als aus umweltfreundlicheren Gas zu produzieren. So konterkarrieren sich beide Systeme.

Zumindest breit debattieren sollte Deutschland über die Speicherung von Kohlendioxid aus fossilen Kraftwerken. Denn die sogenannte Sequestrierung wird – soweit dies heute absehbar ist – für den Klimaschutz eine Schlüsselrolle spielen, was Exportchancen für die dafür notwendige Technik eröffnet. Wenn nicht Speichertechnologien im industriellen Maßstab gefunden werden, wird weltweit an der CO2-Speicherung wohl kein Weg vorbeiführen. Gleichzeitig kann auch Deutschland auf Sicht nicht auf konventionelle Kraftwerke verzichten – umso wichtiger ist es, dass diese umweltfreundlich sind. Dazu muss sich die breite Gesellschaft eine Meinung bilden.

Gesellschaftlich begründet ist schließlich aber auch die deutsche Energiewende – die schwarz-gelbe Regierung hat damit nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima in Angriff genommen, was die deutsche Bevölkerung mehrheitlich forderte. Das wird bei der Diskussion allzu gerne vergessen. Eine Rückkehr zum Atomstrom darf es nicht geben, Alternativen wie das Schiefergas in den USA gibt es hierzulande nicht. Sozusagen als Nebeneffekt übernimmt Deutschland nun die international aus Umwelt- und Klimaschutzgründen absolut unerlässliche Aufgabe, die regenerative Energieversorgung zu integrieren und marktfähig zu machen. Nur eine stabile Industrienation kann diesen Prozess stemmen. Gleichzeitig wird Deutschland mit Sicherheit von dem Technologievorsprung profitieren, den es jetzt auf einem steinigen Weg erwirbt. Langfristig führt die deutsche Energiewende auch ökonomisch in die richtige Richtung – sofern wir aus Fehlern auf dem Weg lernen.