An diesem Sonntag pilgerten trotz Absage des Reek Sunday wieder Hunderte auf den heiligen Berg Croagh Patrick in Irland. Aber gegen das Massenevent regt sich Widerstand, berichtet unser Korrespondent Peter Nonnenmacher.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Croagh Patrick ist Irlands heiliger Berg, am Atlantik nahe der Stadt Westport in Mayo – und am letzten Sonntag im Juli, am sogenannten Reek Sunday, findet der traditionelle Pilgerzug zur Kapelle auf seinem Gipfel statt. Seit Jahren aber gibt es Streit zwischen der neuen Klasse von „Pilgern“, die den Berg mehr aus sportlichem Ehrgeiz als aus Hoffnung auf Nähe zu einem höheren Wesen bezwingen wollen, und all denen, die den alten Pilgerweg und überhaupt Croagh Patrick bewahren möchten für die Welt.

 

An diesem Reek Sunday ist der Streit in offenen Konflikt umgeschlagen – nachdem die Natur selbst dem Aufmarsch offenbar zu wehren suchte, viele Angereiste sich jedoch partout nicht abweisen lassen wollten. Heftige Stürme hatten schon in der Nacht provisorisch errichtete Erste-Hilfe-Zelte am Rande des Pilgerpfads umgepustet. Schwerer Regen prasselte am Sonntagmorgen auf die abschüssigen Hänge, den losen Geröllpfad zum Gipfel. Fast der ganze Berg war in dichte Wolken gehüllt. Die Sichtweite betrug keine drei Meter. Die Polizei von Westport warnte, dass Rettungsaktionen an diesem Tag schwierig werden könnten. Die katholische Kirche sagte „zum ersten Mal seit Menschengedenken“ alle Gottesdienste in der Gipfelkapelle ab, und lud stattdessen in ein Kirchlein am Fuße Croagh Patricks ein.

Und doch vermochten Kirche, Polizei und Rettungsdienste mit ihren Appellen wenig auszurichten. An die tausend Personen, darunter Familien mit kleinen Kindern, drängten zum Gipfel hinauf. Nicht wenige mussten im Laufe des Tages von Hilfsmannschaften auf Pritschen den Berg wieder herunter getragen werden. Einige litten an schwerer Unterkühlung. Andere waren gestürzt.

Gepilgert wird seit Jahrhunderten. Aber nicht so . . .

In der Tat ist ihr heiliger Berg für die Iren über die Jahre zum Problem geworden. Früher, als sich ein gutgelaunter kleiner Pilgerzug zum und vom Gipfel schlängelte, war Reek Sunday noch ein festlicher Termin im Kalender der Nation. Wer den Gipfel selbst einmal (an einem sonnigeren Tag) erstiegen hat, weiß um die herrliche Aussicht über Küste und Meer. Seit vielen Jahrhunderten gibt es diese Pilgertour. Seit einiger Zeit aber haben rekordhungrige Zeitgenossen und „Blitzwander-Brigaden“ den Berg zum Objekt kollektiver Kraftakte erkoren. Mehr als 100 000 erklettern nun jährlich den Gipfel, viele davon normalerweise am Reek Sunday – in einem polternden Zug, bei dem massenhaft Steinbrocken und Erde losgetreten, Mitwanderer verletzt und vom Weg gestoßen werden.