Andrea Berg lässt in der Liederhalle in Stuttgart 25 Karrierejahre Revue passieren. Musikalisch geradlinig und nicht zu schnell getaktet ist diese Revue. Dabei weiß die in Kleinaspach lebende Sängerin genau um die kleinen und großen Gesten, die sie ihren Fans schuldig ist.

Stuttgart - Wer eine Erfolgskarriere zu feiern hat, kann sich schon mal eine etwas größere Showtreppe gönnen. Die von Andrea Berg ist am Sonntagabend gut zwanzig Meter und rund fünfzig Stufen lang: Von der Empore schreitet sie zu dezenter Pianobegleitung und in weißem, großzügig geschlitztem Abendkleid hinunter in den ausverkauften Beethovensaal – ein hübsch festlicher Auftakt für ein Konzert voller Songs und Erinnerungen aus 25 Karrierejahren. Mit bedeutungsschwerem, künstlichem Knarren wird auf der mit nur einem Dutzend Stoffbahnen und Leuchtgirlanden sparsam ausgestalteten Bühne fortan immer mal wieder eine große Kiste geöffnet – zum Vorschein kommen Artefakte wie ein paar kniehohe Lederstiefel oder ein eng geschnittenes Rockerkostüm, um aus der Karriere einer der erfolgreichsten deutschen Schlagersängerinnen zu erzählen.

 

Zweieinhalb Stunden lang zeigt sich das Genre danach von all seinen typischen Seiten und nimmt nach einem maritimen Auftakt mit „Ein Schiff wird kommen“ und „Seemann, lass das Träumen“ Kurs auf den Berg’schen Schlagerkosmos. Musikalisch geradlinig und nicht zu schnell getaktet ist diese Revue rund um die Männer und die Liebe als Exklusivthema – das lässt Zeit und Raum, um professionell die „soft skills“ zu pflegen, mit denen sich diese Branche ihrem Publikum widmet. Werte wie Hingabe und Fürsorge stehen bei Andrea Berg hoch im Kurs – sie weiß genau um die kleinen und großen Gesten, die sie ihren Fans schuldig ist. Die kleine Zoe, die anfangs auf die Bühne geholt wird, um dort den „Peter Pan“ zu geben und dafür eine ganze Zeitlang wie festgetackert auf einem überdimensionalen Sessel verharren muss, bekommt als Dankeschön liebevoll einen Stoffdrachen überreicht, und die zweitausendeinhundert Besucher erhalten bei mehreren Rundgängen durchs Parkett ausgiebig Gelegenheit zur Kontaktaufnahme und für Smartphone-Schnappschüsse aus nächster Nähe.

Viele im Publikum sind Berg-Stammgäste

Allerdings sind auch die Kehrseiten des Genres zu beobachten: Manche Gesten wirken wächsern, manche Posen maskenhaft – Merkmale eines Metiers, das seine Fans zu Recht ernst, sich selbst aber manchmal zu ernst nimmt. Und ein Hang zum Angriff auf die Tränendrüsen und zur weihevollen Selbstergriffenheit gehört in diesen Kreisen ohnehin um Geschäftsmodell.

Immerhin aber bleibt der Schlager der Andrea Berg wohltuend bei sich und benimmt sich nicht so, als wäre er die moderne respektive Popmusik – Andrea Berg kennt sie und respektiert die Grenzen ihrer Musik. So wird ausgiebig gefeiert und in Nostalgie geschwelgt. Dass die meisten Liederhallen-Besucher Berg-Stammgäste sind – die Fanclubs aus Bayerwald und Hennef sind vertreten, die „Feuervögel“ von der Ostalb, der „Funclub Stuttgart“ sowieso – sorgt für eine familiäre Stimmung. Und doch wirkt der Zauber nicht auf alle Konzertgänger gleich stark. „Sie macht’s schon recht“, kommentiert eine Dame in der zwanzigminütigen Pause – „aber wenn’s rum ist, höre ich auch wieder etwas anderes als Andrea Berg.“