Im Streit um den richtigen Kurs in der Flüchtlingskrise steht die deutsche Wirtschaft geschlossen hinter der Kanzlerin. Die gibt den Spitzenverbänden im Gegenzug ein Versprechen.

München - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der deutschen Wirtschaft Erleichterungen bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zugesagt. Merkel stellte am Freitag unter anderem den Abbau übermäßiger Bürokratie, die Schaffung von Einarbeitungsmöglichkeiten und Erprobungsphasen für Flüchtlinge sowie die Verlängerung von Praktika in Aussicht.

 

„Ich verspreche Ihnen, dass wir über die Bundesagentur für Arbeit sehr eng zusammenarbeiten“, sagte die Kanzlerin bei einem Treffen mit den vier Spitzenverbänden der Wirtschaft in München. Es seien sich aber alle einig, dass man den Mindestlohn nicht infrage stelle.

Alle vier Verbände - der Arbeitgeberverband (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Handwerksverband - stellten sich im Streit um die Flüchtlingspolitik geschlossen hinter die Kanzlerin.

„Sie widersetzt sich diesen populistischen Äußerungen, die in ganz Deutschland immer wieder zum Vorschein kommen, und versucht, mit vielen Einzelschritten dieses Problem in den Griff zu bekommen“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Das sei der richtige Weg. „Solch eine Situation kann man nicht durch einen großen Hammerschlag lösen“, betonte der BDA-Chef.

DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte, es könne keine Obergrenzen für Flüchtlinge in Deutschland geben, „weil sie nicht umsetzbar sind“. Und es dürfe keine dauerhaften Grenzkontrollen innerhalb der EU geben. „Sollte es keine europäische Lösung geben, und kommt es zum Aufbau von Grenzen innerhalb Europas, werden wir einen sehr hohen Wohlstandsverlust in Deutschland erleiden, und wir werden erheblich Arbeitsplätze verlieren“, warnte er. Auch BDI-Chef Ulrich Grillo betonte: „Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung.“

Merkel war erfreut: „Ich möchte mich ausdrücklich bedanken für Ihre positive und konstruktive Haltung gegenüber den Menschen, die zu uns kommen als Flüchtlinge.“ Die „große Bewährungsprobe“ stehe aber noch bevor, „weil ja gerade im letzten Jahr viele gekommen sind“. Merkel verwies aber auf die große Zahl junger Flüchtlinge unter 25. „Das zeigt, welches Potenzial da ist, ihnen eine Chance zu geben.“

Merkel gibt Gabriel einen Korb

Die Wirtschaftsverbände warnten aber vor zusätzlichen Belastungen etwa durch die Erbschaftsteuerreform, Neuregelungen bei der Leiharbeit oder die Energiewende. In einer in München veröffentlichten gemeinsamem Erklärung heißt es, die in Berlin geplante schärfere Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen werde „auf Dauer Chancen und damit Wachstum und Arbeitsplätze kosten“. Auch die von der SPD forcierte gesetzliche Angleichung der Löhne von Frauen an das Niveau ihrer männlichen Kollegen lehnen die vier Verbände geschlossen ab.

Grillo mahnte, nur eine starke Wirtschaft könne bei der Integration von Flüchtlingen mithelfen. Der BDI-Chef forderte zudem mehr Tempo beim flächendeckenden Breitbandausbau und bei der Digitalisierung.

Dem Ruf von SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einem neuen Sozialpaket für die deutsche Bevölkerung erteilte Merkel in München eine Absage. In der Koalition sei vereinbart, „darauf hinzuarbeiten, dass wir den ausgeglichenen Haushalt bewahren“, sagte sie. „Was zusätzliche Leistungen für die einheimische Bevölkerung betrifft, haben wir eine Vielzahl von Projekten, die wir noch gar nicht umgesetzt haben.“ Als Beispiele nannte sie die geplante schrittweise Erhöhung der Ostrenten auf Westniveau und die Eingliederungshilfe für Behinderte. Gabriel hatte am Donnerstagabend eine Abkehr vom strikten Sparkurs verlangt.