Der Besuch von Kanzlerin Merkel in Ungarn zeigt, dass Europa ein Auge auf die Vorgänge im Land hat, meint StZ-Redakteur Knut Krohn – und dass Premier Orban nicht tun und lassen kann, was er will.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Es ist ruhig geworden um Victor Orban. Das heißt aber nicht, dass nicht sehr genau beobachtet wird, was in Ungarn vor sich geht. So wurde in Brüssel natürlich registriert, dass der Regierungschef China und Russland als demokratische Vorbilder nennt. Auch sein Plan, den Datenverkehr im Internet zu besteuern, wurde von der EU sehr kritisch zur Kenntnis genommen. Allerdings hat Europa im Moment wichtigere Probleme, als sich auf einen Politiker zu konzentrieren, der mit einer satten Mehrheit im Parlament das Land nach seinem Gutdünken umbaut.

 

Die Proteste mit fast 100 000 Teilnehmern gegen die Internetpläne zeigen, dass die tot geglaubte Opposition in Ungarn noch am Leben ist. Im Netz organisieren sich immer mehr Gruppen, die zum Widerstand gegen den übermächtigen Premier aufrufen. Die Kritiker Orbans haben vielleicht mehr Rückenwind von dem Besuch der deutschen Kanzlerin erwartet. Doch Angela Merkel hat getan, was sie konnte. Sie hat deutlich die Defizite angesprochen und Orban aufgefordert, die kritischen Stimmen nicht zu unterdrücken. Merkel ist nicht auf Frontalkonfrontation gegangen. Ihr Besuch signalisiert, dass Ungarn in Europa nicht isoliert ist. Das ist gut so. Das heißt aber auch, dass der Premier nicht tun und lassen kann, was er will – auch wenn die Union im Moment andere Sorgen hat.