Zwei Frauen hat ein 33-Jähriger im vergangenen Frühjahr im Degerlocher Wald angegriffen und eine von ihnen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Nun muss er dafür für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis.

Stuttgart - Es ist der Albtraum jeder Joggerin: Ohne Vorwarnung hat Rico B. im März im Degerlocher Wald zwei Frauen angegriffen. Eine kam mit leichten Verletzungen davon, der anderen hielt er Mund und Nase zu, bis sie bewusstlos wurde. Wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und sexueller Nötigung verurteilte das Landgericht den 33-Jährigen zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft.

 

„Das muss ein Martyrium gewesen sein“, machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Hahn in seiner Urteilsbegründung deutlich. Am 14. März 2014 stürzte sich der 33 Jahre alte Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts aus heiterem Himmel auf eine 23 Jahre alte Joggerin, schlug sie und zog sie 30 Meter weit ins Dickicht. Sie stürzte bäuchlings in eine Senke, die er vorher erkundet hatte. Dort setzte er sich auf ihren Rücken und hielt sie rund eine Stunde lang fest.

Frau gezwungen, sich auszuziehen

Erst erzählte Rico B. ihr von den Problemen mit seiner Ex-Freundin und seiner Tochter sowie von seiner Lungen-Operation. Dann zwang er sie, sich komplett auszuziehen - damit sie nicht weglaufen könne. Er streichelte über ihren Rücken und ihre Brüste. Als ihm klar wurde, dass sie ihn anzeigen könnte, beschloss er nach Auffassung der Kammer, sie zu töten. Er hielt ihr so lange Mund und Nase zu, bis sie das Bewusstsein verlor. Dann fuhr er mit Fahrrad und Bahn nach Hause. Die Kleidung entsorgte er in einem Mülleimer. Doch die Frau kam später wieder zu sich. Spaziergänger halfen ihr und riefen die Polizei.

Bereits drei Tage zuvor hatte Rico B. im selben Wald eine Frau mit Kinderwagen angegriffen, nachdem er sie zuvor nach der Uhrzeit gefragt hatte. Die 39-Jährige schrie laut und wehrte sich nach Leibeskräften. Der Kinderwagen stürzte um, das Baby blieb jedoch zum Glück unverletzt. Aus Angst entdeckt zu werden, ließ der Mann nach Überzeugung der Kammer von der Frau ab. Umgehend plante er aber den nächsten Angriff. „Diesmal wollte er besser vorbereitet sein“, sagte der Richter Hahn. Auch nach der zweiten Tat kam er in den Wald zurück. Dort wurde er von der Polizei erkannt und festgenommen.

Den Forst kannte der arbeitslose Schreiner bestens. Vor den Taten war er täglich dort unterwegs, angeblich, um zu entspannen. „Er sitzt da rum, er läuft da rum“, schildert Hahn. Immer wieder fragt er Spaziergänger nach der Uhrzeit.

Angestauter Frust und Hass auf die Exfreundin

Bei der Frage nach dem Motiv half die Einlassung des Angeklagten nicht wirklich weiter. Die Kammer kam schließlich zu der Überzeugung, dass angestauter Hass die Initialzündung war. Rico B. stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen. Heimaufenthalte und Strafvollzug wechselten sich ab. Er ist mehrfach vorbestraft, auch wegen einer Sexualstraftat. „Da war er jedoch eher Mitläufer“, sagte Hahn.

2004 beginnt er eine Beziehung, 2005 wird seine Tochter geboren. Doch 2008 geht alles in die Brüche. Die Trennung verläuft unschön. Sein Kind sieht er kaum, zum Schluss gar nicht mehr. Verantwortlich dafür macht er seine frühere Partnerin. Das Gericht erkannte „angestauten Frust und einen Hass auf seine Ex, den er auf andere Frauen übertragen hat“.

Gutachter attestiert schwere seelische Abartigkeit

Der psychiatrische Gutachter hat dem 33-Jährigen eine schwere seelische Abartigkeit attestiert. Hahn sagte, der Angeklagte sei sexuell unreif und interessiere sich eigentlich wenig für Frauen. Selbst beim zweiten Überfall sei ihm zunächst keine sexuelle Motivation nachzuweisen. „Sie ist im Lauf des Geschehens mit hinzugekommen. Er nahm die Gelegenheit wahr, die sich ihm bot.“

Nach Ansicht der Kammer ist Rico B. voll schuldfähig. Vorraussetzungen für Sicherungsverwahrung sieht das Gericht jedoch nicht. Zwar sei der Mann potenziell gefährlich, aber kein Hangtäter. Die beiden Frauen gehen inzwischen wieder joggen, doch noch immer haben sie dabei Angst. Die 23-Jährige ist bis heute in psychologischer Behandlung.