In einigen Eurosaaten sinken die Preise, die Europäische Zentralbank erwägt deshalb neue Geldspritzen. Ob sie zum Einsatz kommen, hängt unter anderem am Ostergeschäft.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Spanien ist die Nummer fünf – also das fünfte Euroland, in dem die Preise sinken. Zuvor war das schon in Griechenland, Zypern, der Slowakei und Portugal der Fall. Im März seien die Lebenshaltungskosten in Spanien gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent zurückgegangen, teilte das europäische Statistikamt Eurostat diese Woche mit. „Der Weltwährungsfonds (IWF) hat mit seiner Warnung vor der Gefahr einer Deflation Recht“, schreibt die spanische Zeitung El País mit Blick auf die IWF-Frühjahrstagung am vergangenen Wochenende. Bundesbank und Bundesregierung zeigen sich derweil gelassen. Er sehe „keinerlei Anzeichen“ für eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und sinkender Nachfrage in Europa, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble nach dem IWF-Treffen.

 

Eine Deflation wäre ein Preisverfall auf breiter Front. In 13 der 18 Eurostaaten steigen die Lebenshaltungskosten aber, wenn auch mit vermindertem Tempo: Im März sank die durchschnittliche Inflationsrate in der Währungsunion auf 0,5 Prozent, das ist der niedrigste Wert seit November 2009. Die meisten Verbraucher dürfte die geringe Teuerungsrate freuen. Fallende Preise wie in Griechenland oder Spanien können langfristig aber durchaus zum Problem werden. Das Risiko besteht darin, dass Verbraucher und Unternehmen größere Anschaffungen in Erwartung neuer Rabatte zurückstellen und die Binnennachfrage einbricht. Die zweite Gefahr einer klassischen Deflation: Niedrige Preise drücken die Einnahmen der Produzenten, während Löhne und andere Kosten durch Verträge fixiert und damit weniger leicht zu senken sind – die Gewinnspannen der Unternehmen schrumpfen also. So geschah es in der Weltwirtschaftskrise von 1929 an in den USA, aber auch in Deutschland.

In Griechenland sinken die Preise am stärksten

Allerdings brachen damals die Preise binnen vier Jahren um mehr als 20 Prozent ein. In den Euro-Krisenstaaten fällt der Rückgang der Lebenshaltungskosten vergleichsweise moderat aus. Das bisher größte Minus von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnete Griechenland im November. Für die allmähliche wirtschaftliche Erholung in Südeuropa sei das kein Problem, sagt der Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Denn die Löhne wurden in den Krisenstaaten im Zuge der Reformen zum Schuldenabbau bereits gesenkt. Die Unternehmen könnten also sinkende Einnahmen abfedern: „Anders als in den USA der 30er Jahre fallen die Kosten schneller als die Preise, sodass sich die Gewinnmargen erhöhen“, sagt Krämer.

Die Deflation erschwert den Schuldenabbau in Südeuropa

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fürchtet dennoch eine Verunsicherung der Unternehmen und damit einen Rückgang der Investitionen (siehe Interview). Obendrein erschwere die niedrige Inflationsrate den Schuldenabbau in Südeuropa. Deshalb sollte die EZB nach Auffassung Fratzschers Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen, um den Preisen Auftrieb zu geben – und nebenbei die Zinsen weiter zu senken.

Tatsächlich bringt die EZB bereits ihre Geschütze in Stellung: Sie erwägt den Aufkauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren in Billionenhöhe. Ein solches Programm nach amerikanischem Vorbild könnte nach Angaben von EZB-Präsident Mario Draghi aufgelegt werden, um die Risiken einer zu langen Phase niedriger Inflation in den Griff zu bekommen. Wenn die Teuerungsrate im Euroraum nicht bald anzieht, könnte die EZB also am Ende die Notenpresse anwerfen.

Die Sparer leiden unter der Geldpolitik

Das wäre ein weiterer Schlag für Sparer in Deutschland und anderswo. Sie leiden schon jetzt darunter, dass sichere Anlagen kaum noch Zinsen abwerfen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt deshalb immer wieder vor den Risiken weiterer Geldspritzen. Trotz der Bedenken Weidmanns, der Deutschland bei der EZB vertritt, schreiten die Planungen für eine neuerliche Lockerung der Geldpolitik offenbar voran. Der zuständige EZB-Direktor Benoit Coeuré ließ am Rande der IWF-Frühjahrstagung schon einmal durchblicken, wie eine Intervention der Notenbank aussehen könnte. Anders als in den Jahren 2010 bis 2012, als die EZB gut 200 Milliarden Euro für Staatsanleihen der Euro-Schuldensünder ausgab, würde dieses Mal wohl ein breiteres Spektrum an Wertpapieren erworben.

Für Firmenkredite fallen hohe Zinsen an

Zur Begründung sagte Coeuré, der Kauf allein von Staatsanleihen würde nicht auf sämtliche Zinsen durchschlagen. Wahrscheinlich ist damit, dass die EZB im Falle einer neuerlichen Marktintervention auch Anleihen von Unternehmen kaufen würde. Denn die vergleichsweise hohen Zinsen für Firmenkredite in Südeuropa gehören aus Sicht der Notenbanker zu den größten Hindernissen für einen kräftigen Aufschwung.

Die EZB diskutiert in diesem Zusammenhang sogar über den Erwerb von Wertpapieren, die seit der Finanzkrise als Ramsch verschrien sind:. Dies sind so genannte forderungsbesicherte Wertpapiere, besser bekannt unter der englischen Bezeichnung Asset Backed Securities. Gemeint sind verbriefte Kredite an Unternehmen oder Verbraucher, die von den Banken an Investoren veräußert werden. Die Käufer erwerben den Anspruch auf die Zins- und Abschlagszahlungen der Kreditnehmer und geben dafür den Banken Geld, das diese etwa für die Vergabe neuer Darlehen verwenden können. Deshalb, so die Überlegung der EZB, könnte ein Großeinkauf der Notenbank auf dem Markt für diese Papiere die Kreditvergabe in Schwung bringen.

Die Notenbank argumentiert, die Ausfallraten der verbrieften Kredite seien in Europa historisch viel niedriger als in den USA. Dort wirkten die Asset Backed Securities bei Ausbruch der Finanzkrise als Brandbeschleuniger: Die US-Banken hatten vor allem Immobilienkredite im großen Stil zu hochkomplexen Paketen verpackt und diese gestückelt weiterverkauft, sodass die Risiken intransparent wurden. Viele Investoren, darunter die LBBW und andere Landesbanken, erlitten herbe Verluste.

An Ostern steigen die Ausgaben für Dienstleistungen

Ob die EZB tatsächlich Milliarden in ABS und Staatsanleihen steckt, könnte sich schon bald entscheiden. Denn für die weitere Entwicklung der Inflationsrate ist das Ostergeschäft von großer Bedeutung: An Ostern steigen gewöhnlich die Ausgaben für Dienstleistungen, besonders für Reisen. Dass das Fest 2014 fast einen Monat später stattfindet als im Vorjahr dürfte zu der niedrigen Inflationsrate im März beigetragen haben. Gleichzeitig könnten die Ausgaben für die Feiertage die jährliche Teuerungsrate im April wieder nach oben treiben. Die erste Schätzung dazu veröffentlicht Eurostat zum Monatsende.