Die Animationsfilmbranche wächst – ein Viertel des deutschen Gesamtmarktes entfällt mittlerweile auf die Region Stuttgart. Damit hiesige Firmen auf dem Markt mitmischen können, müssen viele Akteure kooperieren.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Wenn vom 11. September an die legendäre Biene Maja nun auch über die Leinwände der Republik schwirrt, startet ein Familienfilm, der zu einem Kassenschlager des Kinoherbstes werden soll. Die Macher versprechen eine spannende Geschichte, wunderbare Sprecher von Eva-Maria Hagen bis hin zu Jan Delay – und vor allen Dingen perfekte Bilder. Entstanden sind diese unter anderem in der Region Stuttgart, die sich zu einem nationalen Zentrum des Animationsfilms entwickelt hat. Zwar fehlen ganz aktuelle exakte Zahlen. Nach Schätzungen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Region Stuttgart (WRS) dürfte mittlerweile aber rund ein Viertel des gesamten Branchenumsatzes in Deutschland von rund 100 Millionen Euro im Ländle und da insbesondere im Ballungsraum am Neckar erzielt werden.

 

Am Beispiel von Biene Maja lässt sich illustrieren, wie gut die Räder in diesem Bereich mittlerweile ineinander greifen – was wiederum notwendige Voraussetzung ist, um eine solch internationale Produktion mit Verbindungen bis nach Australien an Land zu ziehen. Da ist zunächst die Firma M.A.R.K. 13 mit ihrem technischen Know-how. Die Geschäftsführer Holger Weiß und Dominique Schuchmann sind Pioniere auf diesem Feld. An der Filmakademie in Ludwigsburg, die seit ihrer Gründung 1991 eine ganz wichtige Katalysatorfunktion erfüllt, haben sie in deren Anfangszeiten studiert. Heute leiten sie ein Unternehmen mit in der Spitze bis zu 50, 60 Leuten. Deren Aufgabe war es in den vergangenen Monaten, den in Grautönen angelieferten Bildern die Farbe zu geben, aber auch feinen Glanz auf die Blätter zu bringen, Schatteneffekte zu simulieren, kleinste Tautropfen glitzern oder den Honig schimmern zu lassen. „Photoshop für Fortgeschrittene“, nennt Holger Weiß das, was seine Mannschaft an den Rechnern in abgedunkelten Räumen an der Stuttgarter Theodor-Heuss-Straße macht – und lacht dabei über die eigene Untertreibung. Denn die Ansprüche bei der konkreten Ausgestaltung der stark stilisierten Figuren und Formen bei Biene Maja und Co. sind „hoch“, sagt er: „Die Effekte sollen so realistisch wie möglich sein.“

Risikofreudiger Unternehmergeist

Inzwischen stellt die Landeshauptstadt samt Umgebung ein regelrechtes „Mekka für den Animationsfilm“ dar, wie Weiß befindet. Dabei ist die zunächst von risikofreudigem Unternehmergeist getriebene Entwicklung aus bescheidenen Anfängen heraus nicht selbstverständlich.

Für die internationale Ausstrahlung sorgte und sorgt die jährlich von der Filmakademie in Stuttgart veranstaltete FMX als führende und einflussreichste Fachkonferenz für digitales Entertainment. Längst aber sind es eine ganze Reihe von Einrichtungen, die den Animationsfilmstandort in der Region befördern – wie die WRS-Tochter Film Commission Region Stuttgart, das Animation Media Cluster Region Stuttgart, die MFG Filmförderung Baden-Württemberg oder die Sicos BW GmbH. Die mit vom Land getragene Sicos beispielsweise ist erst vor drei Jahren aus der Taufe gehoben worden, um insbesondere mittelständischen und kleineren Firmen wie M.A.R.K. 13 Zugang etwa zum Höchstleistungsrechenzentrum (HLRS) der Universität Stuttgart zu ermöglichen, wie der Sicos-Chef Andreas Wierse erläutert. Und so fliegt Biene Maja samt ihrem treuen Kompagnon Willi alsbald auch deshalb über die Leinwände, weil an einem der schnellsten Computer Europas die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung gestellt wurden, um die insgesamt rund 115 000 Stereobilder überhaupt rechnen zu können. „Dafür“, sagt Wierse, „bräuchte ein normaler PC Jahrzehnte.“

Digitale Produktion mehr denn je gefragt

Zwar werden die in Stuttgart-Vaihingen in einem eigenen Hochsicherheitstrakt aufgebauten Supercomputer zu 90 Prozent für Forschungszwecke benötigt, versichert der HLRS-Direktor Michael Resch. Unter den Kunden befinden sich jedoch zunehmend Unternehmen aus dem Land, die die Möglichkeit von 3-D-Simulationen für geschäftliche Zwecke nutzen. Unter anderem Porsche oder immer wieder auch Daimler sind regelmäßig am Höchstleistungsrechenzentrum zu Gange – um beispielsweise Strömungsanalysen durchzuführen, die die Arbeit im Windkanal ersetzen.

Tatsächlich gehen visuelle Effekte und Animation heute „über den klassischen Trickfilm weit hinaus“, erklärt Walter Rogg, der langjährige Geschäftsführer der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Ob in Spielfilmen oder in der Werbung, ob in Musikvideos oder mehr und mehr auch in Imagefilmen der Industrie – digitale Produktion oder Nachbearbeitung ist mehr denn je gefragt. Nicht zuletzt nehme die Games-Branche der Spiele für Handys, Konsolen und Computer „einen immer höheren Stellenwert“ ein, so Rogg. Kaum ein Bewegtbild ist heutzutage mehr unbearbeitet, auch wenn selbst der aufmerksame Zuschauer es kaum merkt. All dies komme der Kreativwirtschaft in der Region entgegen. „Die Kombination von Technologie und Kreativität ist eine unserer Stärken“, sagt Rogg.

Mackevision ist mit einem Emmy ausgezeichnet worden

Eine ganze Reihe von Firmen haben sich längst national oder gar international einen Namen gemacht wie M.A.R.K. 13 oder Mackevision, die als Filmdienstleister auch in der Industrie ein Standbein haben – und von dieser Zusammenarbeit nicht zuletzt finanziell profitieren. Aber auch auf künstlerischem Terrain reüssieren Unternehmen wie Studio Soi („Der Grüffelo“), Pixomondo („Der Medicus“, „Hugo Cabret“) oder Luxx Studios („Grand Hotel Budapest“); zahlreiche Filmpreise oder Nominierungen dafür sind ein Ausdruck der Erfolgsgeschichte. Mackevision etwa, ein ebenfalls auf 3-D-Visualisierungen spezialisiertes Unternehmen, hat für die Beteiligung an der vierten Staffel der US-Serie „Game of Thrones“ jetzt den Emmy Award „Outstanding Special Visual Effects“ erhalten: die faszinierende Welt, die an das europäische Mittelalter erinnert und in der um einen legendären Königsthron gerungen wird, wirkt täuschend echt – und ist doch weitgehend am Computer entstanden.

Dieser Tage ist der Preis überreicht worden. Und allmählich steigt auch bei M.A.R.K. 13 die Spannung, da der Kinostart von Biene Maja näher rückt. Wie die Zuschauer reagieren? „Wenn man die liebevolle Detailarbeit am Look des Filmes mag, die wir in monatelanger Kleinstarbeit geleistet haben“, sagt der Co-Chef Dominique Schuchmann, „ist das Ziel erreicht.“