Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart steht ein Prozess gegen fünf mutmaßliche Neonazis an. Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen zwei Männer und drei Frauen erhoben.

Stuttgart - Auf dem Internetportal Altermedia haben Rechtsextreme bis vor einem Jahr zu Gewalttaten aufgerufen, gegen Ausländer gehetzt und den Holocaust geleugnet. Jetzt soll Ralph-Thomas K. und Jutta V., die als federführend bei der rechten Hetzplattform Altermedia Deutschland gelten, zusammen mit drei weiteren Personen in Stuttgart der Prozess gemacht werden.

 

Laut Generalbundesanwaltschaft sollen der 28-jährige Ralph-Thomas K. und die 48-jährige Jutta V. seit Juni 2012 gemeinsam mit einer bisher unbekannten Person das rechtsextremistische Internetportal Altermedia Deutschland als Administratoren und Moderatoren betrieben haben. Die Hetzplattform galt im deutschsprachigen Raum als führend. Laut dem Bundesinnenministerium wurde das Portal pro Jahr mehrere Millionen Mal abgerufen. Die neonazistische Webseite war im Januar 2016 von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verboten worden.

Mutmaßlicher Rädelsführer in Villingen-Schwenningen festgenommen

Die mutmaßlichen Rädelsführer Ralph-Thomas K. und Jutta V. waren am 27. Januar 2016 festgenommen worden – Ralph-Thomas K. in Villingen-Schwenningen, Jutta V. in Bielefeld. Die Haftbefehle der beiden Angeschuldigten wurden nach sechs Wochen Untersuchungshaft erst ausgesetzt, dann aufgehoben.

Im Mai und im August 2013 sollen sich die vom Bundesanwalt ebenfalls als rechtsextremistisch eingestuften Uwe P. (54 Jahre) und Irmgard T. (63) als weitere Moderatoren angeschlossen haben. Im Januar 2014 sei schließlich die 61-jährige Talmara S. dazugestoßen.

Auf Betreiben von Ralph-Thomas K. aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und Jutta V., die aus dem Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen stammen soll, habe die Internetseite der massenhaften und systematischen Verbreitung rechtsextremen und nationalsozialistischen Gedankenguts gedient, so der Bundesanwalt. Ins Internet gestellt wurden Nazi-Grußformeln und Parolen sowie volksverhetzende Äußerungen. Gewaltaufrufe gegen in Deutschland lebende Ausländer wurden ebenso veröffentlicht wie die Hetze gegen andere Religionen und Personen anderer Hautfarbe. Auch die Leugnung des Holocaust war prominent platziert. Die Angeschuldigten sollen andere Rechtsextremisten zu Straftaten ermuntert haben, um so ein Klima der Angst bei den betroffenen Personengruppen zu erzeugen. „Mit der Internetseite wollten die Angeschuldigten eine rechtsextremistische Gegenöffentlichkeit schaffen“, so der Generalbundesanwalt. Um staatliche Zugriffe zu vermeiden, hätten Ralph-Thomas K. und Jutta V. einen Serverstandort in den USA gewählt. Seit Oktober 2012 sei Altermedia Deutschland dann von Servern eines russischen Unternehmens in Moskau aus betrieben worden. Seit 27. Januar 2016 ist das Hetzportal abgeschaltet.

Server in den USA und in Russland

Der Anklage zufolge hatten Ralph-Thomas K. und Jutta V. die Schlüsselpositionen inne. Über die 48-Jährige, die aus der Stadt Lage bei Detmold stammt, ist wenig bekannt. Sie sei IT-Spezialistin und schon geraume Zeit in der rechten Szene aktiv, heißt es. Der 28-jährige Ralph-Thomas K. stammt offenbar aus St. Georgen im Schwarzwald-Baar-Kreis. Er war bei den Kommunalwahlen 2014 als Kandidat der Deutschen Liga für Volk und Heimat für den Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises angetreten. Wenige Tage vor seiner Verhaftung hatte er als Ordner an einer Demonstration gegen Flüchtlingsheime teilgenommen.

Bildung einer kriminellen Vereinigung

Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falles von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main übernommen. Den Angeschuldigten wird die Gründung einer kriminellen Vereinigung und die Mitgliedschaft in einer solchen vorgeworfen. Weil Ralph-Thomas K. als Rädelsführer gilt und aus Baden-Württemberg stammt, soll der Prozess vor einem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart geführt werden. Ein Termin steht noch nicht fest.

Damit steht dem OLG Stuttgart ein weiterer spektakulärer Prozess ins Haus. Derzeit verhandeln verschiedene Strafsenate unter strengen Sicherheitsvorkehrungen gegen einen mutmaßlichen PKK-Funktionär und gegen einen Syrer, der an der Entführung eines UN-Mitarbeiters in Syrien beteiligt gewesen sein soll.

Damit sind die Strafsenate stark belastet. Deshalb begrüßt OLG-Präsident Franz Steinle, dass im Haushaltsentwurf der Landesregierung neue Stellen für die Justiz vorgesehen sind. Für den Bezirk seines OLG seien 18 neue Stellen für Richterinnen und Richter vorgesehen, zwei davon für die Strafsenate. „Das ist ein Zeichen der Wertschätzung“, so Präsident Steinle.