Die EnBW hat sich dafür entschuldigt, dass die Menschen erst acht Tage nach dem erhöhten Ausstoß von Quecksilber aus dem Kraftwerk in Stuttgart-Münster informiert worden sind. Genauere Kenntnis vom Ausmaß der Störung gibt es noch nicht.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Noch immer ist bei den Verantwortlichen in der Müllverbrennungsanlage Münster unklar, wie viel Quecksilber bei dem Störfall vor knapp zwei Wochen tatsächlich in die Luft gelangt ist. Der Anlagenmanager Rainer Allmannsdörfer spricht von „höchstens einem Kilogramm“, womöglich sei es deutlich weniger gewesen – man könne das beim besten Willen noch nicht sagen. Jedenfalls muss jemand schätzungsweise zwischen zehn und 80 Kilogramm Quecksilber in den Müll geschmuggelt haben; sonst würden sich nicht solche Folgen ergeben. Der große Teil blieb in den Filteranlagen hängen.

 

Nach diesem größten Zwischenfall in der Geschichte des Kraftwerks sind die Mitarbeiter immer noch im Krisenmodus. An der Einschätzung, dass keine Gefahr für die Bevölkerung bestanden habe, hält die EnBW aber fest. Nach einer Berechnung habe die Quecksilber-Belastung sogar unter der Relevanzschwelle gelegen, betonte EnBW-Umweltexperte Roland Stützle am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Kraftwerk. Dieser Wert habe bei unter einem Prozent des Grenzwertes für Immissionen (50 Nanogramm pro Kubikmeter) gelegen. Im Klartext: Was oben zum Schornstein rausging, habe vierfach über dem Grenzwert gelegen; was aber auf Umwelt und Menschen eingewirkt habe, sei aufgrund der großflächigen Verteilung fast vernachlässigenswert.

Kohlekraftwerke stoßen permanent viel Quecksilber aus

Tatsächlich liegt der ständige Quecksilberausstoß von Kohlekraftwerken – den wichtigsten Emittenten des Schadstoffs – oft in einer ähnlichen Höhe wie die jetzt genannte Menge für Münster, was dort als Störung gewertet wird. Das Steinkohle-Großkraftwerk in Mannheim zum Beispiel entlässt im Schnitt täglich 400 Gramm Quecksilber. In Münster ist die Menge am Abend des Dienstag, 23. September, nicht schlagartig freigesetzt worden, sondern im Verlauf von mehreren Stunden.

Dass die EnBW den Vorfall zwar am Mittwochvormittag direkt an das Regierungspräsidium gemeldet, aber die Öffentlichkeit erst acht Tage später informiert hat, hält das Unternehmen mittlerweile selbst für einen Fehler. Das hätte früher geschehen müssen, räumte der EnBW-Sprecher Hans-Jörg Groscurth ein.

Beim Hochfahren des Kessels blieben Werte normal

Am Freitag ist einer der drei Brennöfen wieder in Betrieb genommen worden. Rainer Allmannsdörfer war froh, dass beim mehrstündigen Hochfahren des Kessels die Quecksilber-Grenzwerte nicht mehr überschritten wurden. Das Regierungspräsidium (RP) knüpfte die Genehmigung an mehrere Auflagen. So wird jetzt ein zusätzliches Mittel eingesetzt, durch das mehr Quecksilber im Abgas ausgefällt wird. Daneben wird in der Rauchgasreinigung eine speziell aufbereitete Aktivkohle verwendet. So soll der Ausstoß von Quecksilber minimiert werden, falls sich im Müll noch belastete Gegenstände befinden. Die Dinge im Bunker mit vielen tausend Tonnen Fassungsvermögen zu finden, sei aussichtslos, so die EnBW. Aufgrund des hohen spezifischen Gewichts von Quecksilber entsprechen 80 Kilogramm nur etwa fünf Litern.

Daneben ist die EnBW stark damit beschäftigt, den ankommenden Müll zu verwerten. Ein Teil der Müllfahrzeuge wird gleich in andere Müllverbrennungsanlagen „in ganz Deutschland“ umgeleitet, ein weiterer Teil des Mülls muss von Münster wieder abtransportiert werden. Erst wenn auch ein zweiter Kessel wieder läuft, könne sich die Lage normalisieren, so Rainer Allmannsdörfer. Dafür braucht es aber eine weitere Genehmigung des RP. Wie hoch die Kosten für die zusätzliche Reinigung der Abgase und für die Umleitung des Mülls sind, konnte die EnBW bisher nicht beziffern. Sie seien jedenfalls beträchtlich.

Wie man solche Störungen künftig verhindern kann, darüber habe man sich ebenfalls noch keine Gedanken machen können. Dies soll geschehen, wenn der Ausnahmezustand in Münster aufgehoben ist. Bei den Stadtwerken Bonn hat man nach einem ähnlichen Vorfall im Jahr 2013 ein Messsystem direkt hinter dem Brennofen installiert, um sofort gewarnt zu werden. Dies gebe es in Münster bisher nicht, räumte Rainer Allmannsdörfer ein.