Seit 30 Jahren berät das Fraueninformationszentrum FIZ Frauen, die von Männern gekauft, missbraucht oder ausgebeutet werden. Früher kamen vor allem Thailänderinnen, die von Deutschen wie Sklavinnen behandelt wurden, heute sucht vor allem eine andere Klientel Hilfe.

Stuttgart - „Tausende Thai-Frauen suchen nach der wahren Liebe. Melden Sie sich kostenlos an!“ So klingt heute Werbung für die Kontaktanbahnung mit Thailänderinnen. Vor 30 Jahren nutzten die Frauenhändler noch Kataloge und verkauften Sexurlaub, der als Bildungsreise getarnt war. Erst ein kirchliches Ereignis offenbarte Abgründe: Der Weltgebetstag der Frauen wird jedes Jahr von Gläubigen aus einem anderen Land organisiert. „1980 waren die Frauen aus Thailand dran und machten deutlich, welches Ausmaß der Sextourismus in ihrem Land hatte und dass die Kunden vornehmlich Westeuropäer waren. Das hat die Teilnehmer heftig erschreckt“, sagt Doris Köhncke, die Leiterin des Fraueninformationszentrums (FIZ). Die Evangelische Frauenarbeit, das Evangelische Männerwerk und die Katholiken seien aktiv geworden, nur hören mochte die Öffentlichkeit nichts davon: „Sextourismus, Prostitution, Kataloghandel waren ein absolutes Tabuthema.“

 

Doch kein toller Hecht

1986 kam eine Studienarbeit zu dem Fazit, dass die Frauen, die per Katalog bestellt worden waren, dringend eine Anlaufstelle brauchten. „Es gab Männer, die die aus Thailand mitgebrachten Frauen wie Leibeigene behandelten und ihnen jeglichen Kontakt zu anderen Frauen verbaten“, erinnert sich Doris Köhncke. Manche wollten die Frauen 24 Stunden im Haus behalten, nachdem die Frauen festgestellt hatten, dass sie da doch nicht den tollen Hecht geangelt hatten, als der er sich in Thailand gegeben hatte. „Das hat sich wesentlich verbessert, seit nach neuer Gesetzeslage jeder Ausländer, der ein Visum will, einen Sprachkurs absolvieren muss; das ist der erste Schritt für die Frauen in ein eigenes Leben.“ Andere wagten nicht, sich zu trennen, weil sie dann mittellos dagestanden hätten, und aus solchen Abhängigkeiten wucherten hinter verschlossenen Türen weitere Straftaten wie Vergewaltigungen und Zwangsprostitution.

Ein Bundesmodell wurde 1987 ins Leben gerufen, das heutige FIZ. „Von da an wurden immer mehr Fälle von Menschenhandel, Zwangsheirat und Zwangsprostitution auch hier in der Nachbarschaft aufgedeckt“, erzählt Doris Köhncke. „Überall wurden arme Frauen ausgenutzt, die eigentlich nur nach einer Strategie gesucht hatten, ihr Leben und das ihrer Kinder zu sichern“, sagt sie. Bis heute sei es deshalb das Ziel vom FIZ, Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen und sie aus der Isolation zu holen.

Menschenhandel in der Nachbarschaft

Die Arbeit hat nicht abgenommen, jährlich suchen mehr als 100 Frauen einen Ausweg aus der Zwangsprostitution, sind Opfer und Opferzeuginnen geworden. Rund 140 Heiratsmigrantinnen bitten um Rat und Hilfe, rund 60 Frauen berichteten im vergangenen Jahr über Zwangsheirat, drohende Genitalverstümmelung oder Repression aus religiösem Eifer, 74 Flüchtlingsfrauen sind, meist schon auf der Flucht, missbraucht worden.

Unwürdige Arbeitsbedingungen

Arbeitsausbeutung ist ein neues, wachsendes Thema. Die Abteilung FairCare für Arbeitsmigrantinnen hat alle Hände voll zu tun. 67 Frauen hatten Knebelverträge einer 24-Stunden-Pflegestelle, „aber meist geht es um Jobs, die keiner machen will, Verträge werden nicht ausgehändigt, manche müssen ständig in Rufbereitschaft sein, und obendrein vermieten manche Arbeitgeber noch einen Büroraum an fünf Angestellte, die jeweils 300 Euro Monatsmiete zahlen müssen“, zählt Doris Köhncke auf. Das eine oder andere könne man arbeitsrechtlich regeln, wichtig sei aber in allen Fällen, „dass die Frauen wieder Perspektiven entwickeln und sich was wert fühlen“. Finanziell ermöglichen dies das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, die Evangelische Landeskirche in Württemberg sowie Stiftungsgelder und Spenden.

Das Jubiläumsfest findet am Donnerstag, 27. Juli, von 16.30 Uhr an im Bürgerzentrum West, Bebelstraße 22, statt. Anmeldungen sind möglich per E-Mail an fiz@vij-wuerttemberg.de oder telefonisch unter der Nummer 0711/ 2 39  41 24. Kinderbetreuung wird angeboten.